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Präsidialjahr in Corona-Zeiten Die Bundespräsidentin hatte mehr schlaflose Nächte als sonst

Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga über 2020 und das Lob für den Bundesrat, das immer mehr in Kritik umschlug.

Die Bilder muten aus heutiger Sicht leicht bizarr an. Dabei sind es die üblichen Aufnahmen eines Staatsbesuchs, wie er in der Schweiz mindestens ein Mal pro Jahr stattfindet. Auf dem Flughafen Zürich empfängt Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga den ghanaischen Präsidenten Nana Addo Dankwa Akufo-Addo mit einem zehn Sekunden langen Händedruck. Es ist der 28. Februar 2020. Wenig später wird der Händedruck aus dem Repertoire der öffentlichen Gesten verschwinden.

Social Distancing war noch nicht allgegenwärtig: Simonetta Sommaruga empfängt am 28. Februar 2020 Nana Addo Dankwa Akufo-Addo in der Schweiz.
Legende: Social Distancing war noch nicht allgegenwärtig: Simonetta Sommaruga empfängt am 28. Februar 2020 Nana Addo Dankwa Akufo-Addo in der Schweiz. Keystone

«Nach diesem 28. Februar ging dann alles extrem schnell», erinnert sich Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga im Gespräch mit SRF. «Nach einem Wochenende mit fast täglichen Sitzungen beschloss der Bundesrat am 16. März den Lockdown – diesen Tag vergesse ich nicht mehr.»

Diesen Tag vergesse ich nicht mehr.

Sommaruga ist seit fast zehn Jahren Bundesrätin, als Bundespräsidentin amtet sie zum zweiten Mal. Ihr erstes Präsidialjahr 2015 begann schwierig – Europa stand unter dem Schock des Terroranschlags auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris. Doch eine vergleichbare Situation wie im Frühling dieses Jahres hat Sommaruga als Politikerin nicht erlebt. «Es war besonders schwierig – der Druck, die starke Betroffenheit von uns allen, da wurde es manchmal auch sehr emotional», sagt Sommaruga.

Die Schweiz wird ab März runtergefahren. Weil die Fallzahlen aber schnell sinken, kann der Bundesrat schon bald Lockerungen ankündigen. Es folgt ein fast normaler Sommer. Im September eröffnet sie im Tessin den Ceneri-Tunnel – wegen der Pandemie darf die Bevölkerung an der Feier nicht teilnehmen. Die Bundespräsidentin mit Tessiner Wurzeln erinnert sich gern, aber auch mit Wehmut daran. «Die Feier war sehr würdig und sehr emotional. Aber klar, ein Volksfest wäre schöner gewesen.»

Ein Volksfest wäre schöner gewesen.

Im Herbst trifft die zweite Welle die Schweiz mit voller Wucht – die Intensivbetten werden knapp. Die Todeszahlen steigen deutlich stärker an als im benachbarten Ausland. Die Kritik am Bundesrat wächst – war er schlecht vorbereitet, hat er zu zögerlich gehandelt? Die Bundespräsidentin findet, die Landesregierung habe Stärke gezeigt, das Heft wieder in die Hand genommen. Vor allem, als sie realisiert hatte, dass die Kantone Schwierigkeiten gehabt hätten, Massnahmen zu ergreifen.

Schuldzuweisungen würden nichts bringen. «Die hohen Todeszahlen beschäftigten mich aber sehr. Wir müssen ganz viel lernen in dieser Pandemie. Wir müssen dauernd die Massnahmen anpassen und uns fragen, was müssen wir vielleicht zusätzlich machen.»

Die hohen Todeszahlen beschäftigten mich sehr.

Die Bewältigung der Pandemie hat die Bundespräsidentin stärker an die Grenzen gebracht als die Arbeit zu normalen Zeiten. «Es hat auch sicher mehr schlaflose Nächte gegeben als in anderen Jahren.»

Während die Bundespräsidentin sonst die Schweiz im Ausland repräsentiere, habe es sie 2020 vor allem in der Schweiz gebraucht.

Tagesgespräch, 21.12.2020, 13:00 Uhr

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