Zum Inhalt springen

Privilegien dank Zertifikat Covid-Zertifikat: Staatsrechtlerin fordert breite Diskussion

Mehr Freiheit im Austausch gegen Gesundheitsinformationen: Ein grosser Schritt, der Fragen aufwerfe, sagen Fachleute.

Sie kennt die gesundheitliche Seite ebenso wie die rechtliche: Kerstin Vokinger hat Medizin und Recht studiert und ist an der Universität Zürich Professorin für Gesundheitsrecht. Sie warnt: Für eine so grosse Bevölkerungsschicht den Zugang zu Möglichkeiten wie Konzerten oder Restaurants abhängig zu machen von gesundheitlichen Angaben – dem Covid-Zertifikat – sei ein neues Phänomen.

Schwierige Güterabwägung

Die gesetzliche Basis dazu sei zwar vorhanden, sagt Vokinger. «Doch viel Vorsicht ist nötig. Denn wenn man so etwas einführt, könnte man es danach vielleicht auch in anderen Bereichen anwenden. Darum muss es demokratisch möglichst breit abgestützt und auch unter technischen und ethischen Aspekten betrachtet werden.»

Die Diskussion muss nun aus Fachgremien hinaus, am besten ins Parlament.
Autor: Andreas Glaser. Staatsrechtsprofessor

Ins gleiche Horn stösst der Zürcher Staatsrechtsprofessor Andreas Glaser. «Die Diskussion muss nun aus Fachgremien hinaus, am besten ins Parlament.» Denn die Güterabwägung, welche die Politik machen müsse, sei schwierig. Den Genesenen, Getesteten und Geimpften, von denen kaum mehr eine Gefahr ausgehe, müsse möglichst Freiheit gewährt werden. Auf der anderen Seite führe dies aber auch zu einer Ungleichbehandlung mit allen anderen.

Einiges hat das Parlament bereits geregelt. So hat es im Covid-Gesetz die Grundlagen für ein Covid-Zertifikat gelegt.

Zweiklassengesellschaft verhindern

Zentral ist bei den ganzen Fragen für beide Fachleute die erklärte Absicht des Bundesrates, neue Freiheiten nicht nur Geimpften zu gewähren, sondern auch jenen mit einem kürzlich durchgeführten negativen Test. «Indem alle Zugang haben zu Tests und Impfungen, sollte eine Zweiklassengesellschaft verhindert werden», sagt Professorin Vokinger.

Gesundheitsdaten sind besonders wertvoll und anfällig für Missbrauch.
Autor: Kerstin Vokinger Professorin für Gesundheitsrecht

Gut findet sie auch die geplante dezentrale Speicherung der Zertifikat-Informationen. «Dennoch sind wichtige Fragen noch offen: Wer hat Zugriff auf die Daten, wer verwaltet die Datenbank, wie lange bleiben die Daten gespeichert?», so Vokinger. «Das muss geklärt werden. Denn Gesundheitsdaten sind besonders wertvoll und anfällig für Missbrauch.»

Für beide Fachleute wichtig ist zudem die Verhältnismässigkeit. So dürften die heute kostenlosen Tests zum Beispiel nicht plötzlich viel kosten, sagt Andreas Glaser.

Plan des Bundesrates

Am Mittwoch hat der Bundesrat beschlossen, an gewissen Orten selektiven Zugang zu ermöglichen für Menschen mit einem Covid-Zertifikat, sobald alle Risikogruppen geimpft und die Durchimpfungsrate zwischen 40 und 50 Prozent beträgt. Die genauen Orte hat er nicht festgelegt, möglich wären zum Beispiel Konzertbesuche.

Sobald alle Impfwilligen vollständig geimpft sind, will er zudem bei einer drohenden Überlastung des Gesundheitswesens nur noch einschränkende Massnahmen erlassen für Personen ohne Covid-Zertifikat.

10vor10, 22.04.2021, 21:50 Uhr

Meistgelesene Artikel