Die SVP will mit der Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter», der sogenannten Selbstbestimmungsinitiative, festschreiben, dass die Bundesverfassung gegenüber dem Völkerrecht Vorrang hat – ausser bei zwingenden Bestimmungen. Internationale Verträge, die mit der Verfassung im Konflikt stehen, müsste die Schweiz neu verhandeln oder sogar kündigen.
Der Bundesrat hat schon letzten November festgehalten, dass er die Initiative ablehnt. Nun hat er die Botschaft dazu zuhanden des Parlaments verabschiedet. Simonetta Sommaruga nannte sechs Gründe, die gegen die Vorlage sprechen:
- Sie gefährde die Stabilität und die Verlässlichkeit der Schweiz
- nehme Vertragsbrüche in Kauf
- schliesse pragmatische Lösungen beim Umsetzen von Volksinitiativen aus
- führe mit ihren schwammigen Formulierungen zu einem endlosen Hickhack
- schade dem Wirtschaftsstandort Schweiz
- und untergrabe den Schutz der Menschenrechte.
«Die Schweiz hat rund 4000 internationale Verträge abgeschlossen», erklärte die Justizministerin. Diese dienten dazu, Schweizer Interessen zu schützen. Die Initiative sei hingegen eine offene Aufforderung zum Vertragsbruch. «Das ist nicht die Rechtskultur, die uns in den letzten 150 Jahren geprägt und erfolgreich gemacht hat.» Die Schweiz habe die Verlässlichkeit in ihrer DNA, so Sommaruga.
Wer schon vor der Hochzeit von Scheidung spricht, ist als Partner nicht sehr attraktiv.
Im Falle von Neuverhandlungen brauche es immer mindestens zwei Seiten. Beim WTO-Handelsabkommen zum Beispiel würden aber ganze 163 Staaten mitreden wollen. Das sei wie im Turnverein. Wenn jemand etwas ändern wolle, müssten alle Mitglieder zustimmen. Bei neuen Verträgen komme erschwerend hinzu: «Wer schon vor der Hochzeit von Scheidung spricht, ist als Partner nicht sehr attraktiv.»
Selbstbeschränkung, nicht Selbstbestimmung
Die Selbstbestimmungsinitiative verspreche eine Klärung des Verhältnisses zwischen Schweizer Recht und völkerrechtlichen Verträgen. Sie könne diesen Anspruch jedoch nicht einlösen. Vielmehr weise der Initiativtext zahlreiche Unklarheiten auf. So sollen zwar Bund und Kantone internationale Verträge bei einem Widerspruch mit dem Schweizer Recht anpassen oder kündigen.
Die Initianten blieben vage, um am Ende für nichts die Verantwortung übernehmen zu müssen.
«Doch wann ist etwas Widerspruch, und wer entscheidet, ob eine Vertrag gekündigt werden soll? Das ist alles unklar», kritisierte Sommaruga, und fügte hinzu, dass ihr diese «Verwedelungstaktik» bekannt vorkomme: «Das kennen wir schon von der Masseneinwanderungsinitiative: Die Initianten blieben vage, um am Ende für nichts die Verantwortung übernehmen zu müssen.»
Die erste Kammer wird sich noch dieses Jahr mit der Vorlage befassen. Eine Abstimmung über die Selbstbestimmungsinitiative ist frühestens 2018 möglich.