Es ist kurz vor halb zehn Uhr morgens. Das Wasser glänzt in der Sonne, aus einer Anlage ertönt rhythmische Musik. Am Beckenrand des Freibads steht Yvonne Petrovic-Denzler. Die Leiterin des Aquafit-Trainings wartet auf ihre Teilnehmerinnen. Ob überhaupt jemand ins Wasser springt? «In unserem Gruppenchat haben sich schon einige abgemeldet», sagt Petrovic-Denzler. Der Grund: die Wassertemperatur.
Ende April hat die Stadt Schlieren beschlossen, das Wasser des Freibads «Im Moos» nicht zu erwärmen. «Damals war es unklar, wie es mit dem Gas weitergeht», begründet Stadtrat Christian Meier den Entscheid. «Zudem wollten wir ein Zeichen gegen den Krieg setzen und diesen nicht mitfinanzieren.»
Deshalb fällt die Wassertemperatur um ein paar Grad tiefer aus als normalerweise. An diesem Morgen zeigen die Messwerte 20 Grad an. Mit den steigenden Gaspreisen hat der Heizverzicht laut Meier aber nichts zu tun. «Es ist keine Sparübung», sagt der Stadtrat. «Da wir nicht mehr heizen, haben wir sogar die Eintrittspreise gesenkt.» Bis Ende Mai baden die Gäste gratis.
Diese Preisreduktion überzeugt die Aquafit-Teilnehmerinnen nicht. Mehrere Frauen sitzen an diesem Morgen zusammen im Café des Freibads. Sie tragen ihre Strassenkleider, keine Badeanzüge. Denn sie bleiben dem Kurs heute fern. Der Entscheid des Stadtrates ärgert sie sichtlich.
Aus gesundheitlichen Gründen skeptisch
«Das Zeichen ist am falschen Ort gesetzt», sagt eine Teilnehmerin. «Es gäbe doch andere Möglichkeiten.» Die ältere Dame verweist auf den gesundheitlichen Nutzen des Trainings: «Im Wasser haben wir weniger Schmerzen bei Bewegungen», sagt sie. «Doch laut Arzt sollte man bei Temperaturen unter 22 Grad nicht ins Wasser.»
Das Zeichen ist am falschen Ort gesetzt.
Die anderen Teilnehmerinnen pflichten ihrer Kollegin bei. Nur eine Frau sitzt im Badekleid in der Runde. Sie hat sich schon ins Wasser gewagt und gibt sich weniger skeptisch. «Dass ich etwas friere im Wasser, ist mein Beitrag, um mich mit den Bewohnerinnen und Bewohner der Ukraine zu solidarisieren.»
Impressionen aus dem Freibad Schlieren
Mit dem Verzicht auf russisches Gas steht Schlieren nicht alleine da. Jüngst hat auch der Gemeinderat von Langenthal im Kanton Bern entschieden, kein Gas mehr zu benutzen, um die Becken zu beheizen. Stattdessen soll nur noch mit der bestehenden Solar-Absorber-Anlage geheizt werden.
Wie Stadtpräsident Reto Müller im Langenthaler Tagblatt sagte, werden mit dem Gas-Verzicht die Betriebsausgaben gar reduziert. Und: «Angesichts der aktuellen Lage beurteilt der Gemeinderat das Aufheizen von Badewasser mit Gas als verzichtbaren Luxus – sowohl aus klimastrategischer, als auch aus kriegswirtschaftlicher Sicht.»
Viele Bäder heizen mit Wärmepumpen
Dass massenweise andere Badis in der Schweiz diesen Beispielen folgen, dürfte aber nicht geschehen. «Denn es gibt praktisch keine Freibäder mehr, die ihre Becken noch mit fossilen Brennstoffen heizen», sagt Harald Kannewischer. Er ist Vizepräsident vom «Verband Hallen- und Freibäder». Nur in Ausnahmefällen sind solche Heizungen noch zugelassen. Viele Sommerbäder erwärmen ihr Wasser beispielsweise mit Wärmepumpen.
Im Freibad Schlieren ist derweil die Enttäuschung bei Yvonne Petrovic-Denzler gross. «Das Wetter ist wunderschön, aber das Wasser ist wirklich zu kalt», sagt die Aquafit-Leiterin. Sie versteht, dass sich die Teilnehmerinnen nicht ins Becken wagen. «Für mich aber bedeutet es einen finanziellen Ausfall.» Es bleibt nur die Hoffnung auf sommerliche Temperaturen. Die Heizanlage durch ein alternatives System zu ersetzen, ist derzeit nicht geplant.