- Das Bezirksgericht Bremgarten muss darüber urteilen, aus welchem Grund Eltern ihr Kind getötet haben.
- Passierte es aus Überforderung, oder wollten die Eltern, wie sie sagen, ihr behindertes Kind «erlösen»?
- Sie würden heute genau gleich handeln, sagten die Eltern vor Gericht am Montag.
- Anklage und Verteidigung zeichneten am Dienstag ein sehr unterschiedliches Bild der Familie.
War es Mord? Für das Bezirksgericht Bremgarten wird es nicht einfach, ein Urteil zu fällen. Die Tat spielte sich im Privaten ab und Anklage und Verteidigung beschreiben die Familie und ihre Situation enorm unterschiedlich.
Die Angeklagten und ihre Verteidiger
Angeklagt sind die heute 32-jährige Mutter und der 34-jährige Vater. Sie sollen 2020 ihre schwerstbehinderte dreijährige Tochter getötet haben. Sie haben ihr einen mit Ecstasy versetzten Schoppen gegeben und sie danach erstickt.
Den Aussagen den Eltern nach waren sie mit ihrem schwerstbehinderten Kind nicht überfordert. Das haben beide am Montag vor Gericht mehrfach betont. Die dreijährige Tochter litt an Cerebralparese, einer unheilbaren Krankheit. Sie konnte nicht richtig sitzen, hatte Angst vor dem Essen und Schlucken und war rund um die Uhr auf Betreuung angewiesen.
Ihr Tod sei für die Tochter das Beste gewesen, sagten Mutter und Vater vor Gericht. Sie würden es wieder tun, auch wenn es für sie als Eltern das Schlimmste sei.
Grausamer Tod, sagt Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft sagt, dass das Mädchen ein Leben lang auf Hilfe angewiesen gewesen wäre. Aber es habe Hoffnung auf eine verbesserte Situation gegeben. Eine geplante Operation und das spätere Wohnen in einer Institution hätten helfen können.
Die Tötung war von Anfang an der einzige Ausweg.
Die Eltern hätten sämtliche Hilfeangebote abgelehnt. «Die Tötung war von Anfang an der einzige Ausweg.» Aus der Überwachung der Familie sei bekannt, dass Gewalt und ein rauer Umgangston zum Alltag gehörten. «Sie führten nicht das aufopfernde Familienleben, wie sie es darstellen», sagte die Staatsanwältin.
Die Eltern hätten die Tötung der Tochter von langer Hand geplant. Das sei Mord und eine «besonders verwerfliche Auslöschung eines Menschenlebens».
Nach der hohen Dosis Ecstasy habe das Kind rund eine Stunde mit dem Tod gekämpft und somit gelitten, hält die Staatsanwaltschaft fest. Als der Tod nicht rasch genug eintrat, sei das Kind mit einem Geschirrtuch erstickt worden. Das sei grausam und skrupellos.
Nicht kaltblütig, findet Verteidiger
Der Verteidiger der Mutter sagte vor Gericht, es sei unbestritten, dass ein sehr junges Leben genommen wurde. Allen sei klar, dass die Handlung strafbar sei und durch nichts gerechtfertigt werden könnte. Trotzdem: «Vor mir sass (bei der Einvernahme) keine kaltblütige Mörderin, aber auch keine überforderte Mutter.»
Für einen Elternteil muss das Leiden schier unerträglich sein.
Die Staatsanwaltschaft unterstelle der Mutter, sie habe die Tochter loswerden wollen. Belegt habe sie das aber nicht. Das Kind habe gemäss Fachärzten unter Schmerzen gelitten und viel geschrien. «Für einen Elternteil muss es schier unerträglich sein, sein Kind so leiden zu sehen.»
Totschlag statt Mord?
Die geplante Operation hätte nur eines der Probleme des Mädchens entschärfen können. Die Eltern hätten gewollt, dass ihre Tochter durch die Drogen einschläft, das sei nicht heimtückisch. Die Mutter habe unter hohem psychischen Druck gestanden, die Tat sei deshalb als Totschlag zu werten.
Die Ohnmacht und das Mitleid führten dazu.
Der Verteidiger des Vaters argumentierte ähnlich. Der Vater habe sich in einer absoluten Ausnahmesituation befunden. Er habe nur einen Ausweg gesehen: Sein Kind von den Schmerzen zu erlösen.
Das Urteil wird am Freitag erwartet.