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Psychische Belastung Immer mehr Kinder und Jugendliche bleiben der Schule fern

Kein blosses «Schwänzen»: Laut dem Verband der Lehrerinnen und Lehrer grassiert der Schulabsentismus in der Schweiz.

Die Ferienzeit neigt sich langsam dem Ende entgegen, vielerorts beginnt am Montag wieder die Schule. Viele Kinder freuen sich darauf, doch für einige bedeutet Schule vor allem eines: Stress. Sie wollen und können nicht in die Schule. Dies werde zusehends zum Problem, hat der Lehrerinnen- und Lehrerverband nun vor den Medien erklärt; immer mehr und immer jüngere Schülerinnen und Schüler fehlen.

Es gehe hier nicht bloss ums Schulschwänzen, betont Dagmar Rösler, Präsidentin des Lehrerinnen- und Lehrerverbandes (LCH). «Beim Schwänzen habe ich keine Lust und sage mir, dass ich heute einfach mal nicht in die Schule gehe. Beim Schulabsentismus steckt Angst hinter dem Entscheid.»

«Schulangst» und «Schulphobie»

Früher sei dieses Phänomen vor allem in der Oberstufe vorgekommen, unterdessen kommt es laut LCH auch immer häufiger auf der Primarstufe vor. Genaue Zahlen gibt es dazu allerdings nicht. Seit der Covid-Pandemie gäbe es mehr Fälle, sagt Stephan Kälin von der schweizerischen Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychologie.

Auch Kälin sagt: «In den meisten Fällen ist Schulabsentismus mit Angst assoziiert.» Bei der «Schulphobie» hätten Kinder Angst, sich von der Bezugsperson zu trennen. Bei der «Schulangst» wiederum gebe es angstauslösende Faktoren in der Schule. Dazu gehörten etwa Prüfungsangst oder Mobbing.

Sportbeutel.
Legende: Wenn ein Kind der Schule fernbleibt, kann das mehr sein als das altbekannte Schwänzen: Für immer mehr Kinder und Jugendliche wird der Schulalltag zur seelischen Belastung. Imago/Silas Stein

Bei Schulabsentismus sei es wichtig zu reagieren, bevor er regelmässig oder dauerhaft werde, so der Kinder- und Jugendpsychologe weiter: «Wenn man frühzeitig interveniert, ist die Hoffnung und auch die Erfahrung, dass ein Grossteil der Betroffenen die Schule wieder besuchen kann. Je länger man wartet, umso unwahrscheinlicher wird das.»

Es braucht eine Konfrontation mit der Angst – das geht aber nur mit maximaler Sicherheit.
Autor: Stephan Kälin Kinder- und Jugendpsychologe

Mit Konsequenzen zu drohen, sei für die Kinder und Jugendlichen das Falsche. «Angst kriegt man mit Druck nicht weg. Es braucht eine Konfrontation mit der Angst – das geht aber nur mit maximaler Sicherheit.» So gehe es in einer ersten Phase darum, dem Kind Sicherheit zu geben, damit es sich traue, sich seiner Angst zu stellen. Dann werde es auch wieder die Schule besuchen, sagt Kälin.

Enge und behutsame Begleitung

Anschliessend braucht es laut Dagmar Rösler vom LCH individuelle Lösungen in der Schule. Dazu gehören regelmässige Gespräche mit der Schulsozialarbeit, bei denen die Kinder und Jugendlichen ihre Ängste artikulieren und reflektieren könnten. Sinnvoll seien auch Sondersettings für Betroffene. So zum Beispiel, dass sie bei Bedarf alleine in einem Raum arbeiten können.

«Es ist auch denkbar, dass sie gewisse Lektionen auswählen, die sie besuchen können. Und dann wird die Zeit in der Schule sukzessive erhöht», sagt Rösler. Zentral sei, die Kinder und Jugendlichen eng zu begleiten, damit sie die Rückkehr in den Unterricht schafften.

Klare Abläufe und Monitoring der Absenzen

Um das Problem zu lösen, brauche es eine gute Zusammenarbeit zwischen Eltern, Schule, Schulsozialarbeit – so der Tenor an der Medienkonferenz. Daher brauche es Massnahmen, so der Kinder- und Jugendpsychologe Kälin: «Die strukturellen Rahmenbedingungen und Abläufe müssen geklärt sein. Heute geht zu viel mit Verhandlungen verloren, wer wofür zuständig ist.» Zudem sei aber auch das Monitoring der Absenzen von entscheidender Bedeutung. So, dass die Schule für alle Schülerinnen und Schüler ein sicherer Ort bleibt.

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