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Rahmenabkommen mit der EU Neuer EU-Botschafter: «Neuverhandeln, nein – Präzisieren, ja»

Der neue EU-Botschafter Petros Mavromichalis spricht über das Verhältnis zwischen Brüssel und Bern und die eigene Rolle.

Er wolle der Schweiz ein offenes, nahbares Gesicht der EU zeigen, sagt der neue EU-Botschafter Petros Mavromichalis: «Ich werde mich für bestmögliche Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz einsetzen – diese sind sehr wichtig», sagt der vielsprachige neue Botschafter – ein gebürtiger Grieche, der auch mehrere Jahre in Deutschland gelebt hat.

Zuletzt war er Abteilungsleiter «Open Source Intelligence» beim Nachrichtendienst der EU in Brüssel. Mit einem Lächeln spielt er darauf an: «Ich bin nicht hier, um die anderen auszuspionieren.» Vielmehr wolle er die Schweiz in möglichst vielen Facetten verstehen und der EU erklären.

Die EU-Botschaft in der Schweiz

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Seit 2007 wird die Europäische Union in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein durch einen Botschafter und eine diplomatische Vertretung repräsentiert. Die Botschaft befindet sich schräg vis-à-vis des Bundeshauses.

Erster Botschafter der EU in der Schweiz war der Österreicher Michael Reiterer – es folgten der Brite Richard Jones und Michael Matthiesen aus Dänemark. Mittlerweile ist mit Petros Mavromichalis der vierte Mann im Amt.

Die EU ist der wichtigste Handelspartner der Schweiz – pro Tag werden Waren für rund 1 Mrd. Euro ausgetauscht. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sind durch diverse bilaterale Abkommen geregelt – noch ausstehend ist die Einigung über das institutionelle Rahmenabkommen.

Erklären muss sich aber in einem nächsten Schritt der Bundesrat – und wie er sich zum heftig umstrittenen Rahmenabkommen positioniert. Letzte Woche wurde der bisherige Staatssekretär Roberto Balzaretti, der dieses Abkommen verhandelt hatte, gegen die bisherige Botschafterin in Paris, Livia Leu, ausgetauscht. Mavromichalis sagt zur Personalrochade: «Das ist nicht entscheidend.»

Beide – Balzaretti und Leu – seien exzellente Diplomaten und würden die Interessen der Schweiz gut vertreten. Da ist sie, die offizielle Linie der EU: So twitterte kürzlich auch der Sprecher von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – man nehme den Wechsel zur Kenntnis – zentral seien nun unverzügliche Schritte beim Rahmenabkommen.

Doch kann dieser personelle Wechsel Bewegung in die verfahrene Situation bringen? Konkret: Bei den drei in der Schweiz sehr umstrittenen Punkten des Rahmenabkommens: dem Lohnschutz, der Unionsbürgerrichtlinie und den staatlichen Beihilfen? Mavromichalis stellt klar: «Wir sind offen, können reden, klären, helfen. Wir wollen eine enge, gute Beziehung. Aber Neuverhandeln? Nein, das geht nicht.» Zu Präzisierungen sei man aber immer bereit.

Was in punkto Präzisierungen nötig und möglich sei, sei abhängig von den Fragen, so Mavromichalis weiter. Das heisst: von der bald erwarteten Positionierung des Bundesrates.

Die bisherigen EU-Botschafter in der Schweiz

Welche Rolle er selbst als Botschafter der EU in dieser Diskussion spielt, wird von Schweizer Aussenpolitikerinnen und Aussenpolitikern sehr unterschiedlich betrachtet – was auch mit der Positionierung der Parteien in der Europa-Frage zusammenhängt.

«Ein Botschafter ist jemand, der die Parolen der Regierung weiter trägt», sagt der St. Galler SVP-Nationalrat und Aussenpolitiker Roland Rino Büchel. Der EU-Botschafter sei kein Politiker. «Das wird auch beim neuen Botschafter der Fall sein – sein müssen.»

Das Feld ist abgesteckt

Anders sieht dies Tiana Moser, Grünliberale Nationalrätin und Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission, die zurzeit intensiv über der Europafrage brütet. Man sei jetzt in einer Schlüsselphase der Beziehungen zur EU, sagt sie: «Der EU-Botschafter kann hier eine Übersetzungs- und Verständnisleistung erbringen, die essenziell sein kann.»

Denn es geht noch um weitere Themen, die für die Schweiz sehr wichtig sind, etwa das Stromabkommen oder die Forschungszusammenarbeit. Dass die EU dies ebenfalls vom Rahmenabkommen abhängig macht, wird hierzulande oft als Druckversuch interpretiert. Mavromichalis sagt dazu: «Das Rahmenabkommen ist eine Bedingung dafür. Es geht nicht darum, Druck auszuüben oder zu drohen. Wir brauchen es einfach.»

Das Feld ist abgesteckt. Wie es weitergeht, zeigt sich, wenn der Bundesrat seine Position zum Rahmenabkommen bekannt gibt.

Rendez-vous vom 19.10.2020, 12:30 Uhr

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