Die Tankstelle ist mit Wimpeln geschmückt. Vom Restaurantgebäude baumeln Kantonsflaggen. Der 12. September 1968 ist auf der Raststätte Gunzgen Süd im Kanton Solothurn ein Feiertag.
Die TV-Sendung «Antenne» berichtet: «Von jetzt an soll der Autoreisende das längste Autobahnteilstück der Schweiz nicht mehr mit knurrendem Magen verlassen müssen.» Denn mit Gunzgen Süd eröffnet die erste Raststätte der Schweiz inklusive Restaurant.
Bau und Eröffnung von Gunzgen Süd
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Bild 1 von 4. Für die Eröffnung der Raststätte wurden Tankstelle und Gebäude feierlich geschmückt. Bildquelle: Keystone/Photopress-Archiv/Widmer.
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Bild 2 von 4. Die Raststätte war primär dafür da, dass die Autos und Lastwagen betankt werden konnten. Bildquelle: ZVG/ETH-Archiv/Comet Photo AG.
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Bild 3 von 4. Doch Gunzgen Süd war die erste Raststätte der Schweiz, bei der es ein fest installiertes Restaurant gab. Bildquelle: Keystone/Photopress-Archiv/Widmer.
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Bild 4 von 4. Das damalige Gebäude wurde Mitte der 90er Jahre abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Bildquelle: Keystone/Photopress-Archiv/Widmer.
Bei der Planung des Schweizer Autobahnnetzes waren Rastplätze und Raststätten von Beginn an eingeplant. Allerdings war es zunächst wichtiger, dass die Autos tanken konnten. So gab es bei der schweizweit ersten Raststätte in Kölliken AG nur einen alten Bahnwaggon, der provisorisch zur Snackbar umgenutzt wurde.
Milchclub sollte Milchabsatz fördern
In Gunzgen Süd gab es dagegen von Beginn an ein Selbstbedienungsrestaurant und ein bedientes Restaurant sowie einen Kiosk und einen Milchclub. «Anfang der 70er-Jahre gab es die Milchschwemme, mit den Milchclubs sollte der Milchabsatz gefördert werden», erinnert sich Peter Bützer, der über 30 Jahre lang auf der Raststätte Gunzgen Süd gearbeitet hat.
Die 70er-Jahre seien das goldene Zeitalter der Raststätten gewesen, so der heutige Pensionär. Reisecars aus Nordeuropa hätten auf dem Weg nach Süden hier Halt gemacht. Denn die Raststätte liegt sowohl an der West-Ost-Achse zwischen Bern und Zürich wie auch an der Nord-Süd-Achse zwischen Basel und Luzern.
Zudem war die Raststätte ein beliebtes Ausflugsziel. «Wir hatten Familien aus Zürich, die hier jeden Sonntag etwas essen kamen, als Sonntagsausflug», sagt Bützer. Auch aus der näheren Umgebung hätten sie viele Gäste gehabt. «Die Gäste erzählten mir, sie kämen wegen des internationalen Flairs hierher. Sie könnten reisen, ohne dass sie weit wegfahren müssten», schmunzelt Bützer.
24-Stunden-Betrieb rentiert dank Nachtschwärmern
In den 70er-Jahren begannen Raststätten, rund um die Uhr zu öffnen. In Gunzgen Süd war dies jeweils im Sommer der Fall. Allerdings durfte das nicht auf der Autobahn angeschrieben werden, sodass Reisende dies oft erst bemerkten, als sie bereits vorbeigefahren waren.
Gelohnt habe sich das finanziell trotzdem. Vor allem, weil auch in der Nacht Stammgäste aus der Region vorbeikamen. «Damals gab es ja noch die Polizeistunde und so kamen die Nachtschwärmer zu uns.«
Dies führte zu Konflikten mit den Wirten der Region. «Die Wirte hatten keine Freude, wenn sie schliessen mussten und ihre Gäste gesagt haben, sie gingen noch auf die Raststätte», erzählt Bützer. Später habe sich das Verhältnis zur Gastronomie aber entspannt.
In den 80er- und vor allem 90er-Jahren versuchte Bützer, mit Events Gäste aus der Region auf die Raststätte zu locken. Es gab Tanzwettbewerbe, ein nächtliches Formel-1-Public-Viewing, Kinder- und Seniorennachmittage. Für die Gäste aus der Region gab es extra einen Hintereingang zum Restaurant.
«Wir wollten bekannter werden, denn es gab immer mehr Raststätten und damit immer mehr Konkurrenz», sagt Bützer. Heute ist dies offensichtlich nicht mehr nötig. Den Hintereingang zur Raststätte gibt es zwar noch, er wirkt aber verwahrlost.
Der Fokus des Restaurants liegt heute nicht mehr auf den Gästen aus der Region, sondern auf denjenigen, die auf der Autobahn unterwegs sind. Die Raststätte ist aber auch keine Besonderheit mehr, geschweige denn ein Ziel für einen Sonntagsausflug.