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Recht auf Gewaltfreiheit Bulliard-Marbach: «Wir reden nicht von einer einzigen Ohrfeige»

In der Schweiz sollen Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung haben, sowohl körperlich als auch seelisch. Das findet nach dem Nationalrat nun auch der Ständerat. Er hat eine Motion der Freiburger Mitte-Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach überwiesen, welche eine gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch verankern will.

Christine Bulliard-Marbach

Nationalrätin (Mitte/FR)

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Christine Bulliard-Marbach ist seit 2011 für die Mitte im Nationalrat. Zudem ist sie Co-Präsidentin der Parlamentarischen Gruppe Kinder und Jugend.

SRF News: Sie haben drei Kinder grossgezogen. Hand aufs Herz: Haben Sie diesen kein einziges Mal einen Klaps auf die Finger gegeben oder sie angeschrien?

Christine Bulliard-Marbach: Doch, das passierte sicher. Aber wir reden nicht von der einmaligen Ohrfeige oder dem einmaligen Klaps, sondern von der Wiederholung. Und das darf nicht passieren.

Eine einmalige Ohrfeige wäre also noch kein Verstoss gegen die gewaltfreie Erziehung, die Sie mit Ihrer Motion im Zivilgesetzbuch verankern wollen?

Nein, ganz sicher nicht. Aber wie gesagt, wir müssen die Regelmässigkeit ganz klar vermeiden.

Wenn ich also ein einziges Mal meine Kinder anschreie, muss ich nicht Angst haben, dass der Nachbar mich sofort anzeigt?

Nein. Wir befinden uns da nicht im Straf-, sondern im Zivilgesetzbuch, da passiert das sicher nicht. Es soll vor allem eine Art Kompass für die Eltern sein, was ich darf und wie weit ich sicher nicht gehen darf.

Expertinnen und Experten schätzen, dass rund 130'000 Kinder in der Schweiz regelmässig körperlich gezüchtigt werden. Denken Sie wirklich, diesen gewalttätigen Eltern mache ein neuer Artikel im Zivilgesetzbuch Eindruck?

Ja, denn die Beispiele aus Österreich, Frankreich, Deutschland und Schweden zeigen: Seit dieser Gesetzesartikel verankert ist, geht die Gewalt zurück. Gleichzeitig hält die Schweiz die UNO-Kinderrechtskonvention, die sie unterschrieben hat, nicht ein.

Im Zivilgesetzbuch geht es vielmehr darum, Gebote auszusprechen und die Eltern im Sinne einer Signalwirkung dazu aufrufen, andere Erziehungsmethoden anzuwenden.

Wir werden deswegen gerügt, wir sind schlechte Schüler. Und ich denke, die Schweiz soll und darf keine schlechte Schülerin mehr sein.

Die Schweiz erlaubt auch heute schon nicht alles. Körperliche Gewalt stellt das Strafgesetzbuch bereits unter Strafe und dennoch gibt es noch relativ viele Eltern, die ihre Kinder misshandeln.

Die Studie der Universität zeigt Erschreckendes: Jedes zweite Schulkind in einer Klasse muss Gewalt erleiden. Wenn sich trotz des bestehenden Strafgesetzes die Eltern nicht daran halten, zeigt dies doch, dass sie das Signal vielleicht nicht erhalten haben. Darum müssen wir hier weitergehen.

Ist das nicht Symbolpolitik: Wenn das Strafrecht nicht genug wirkt, schreibt man die gewaltfreie Erziehung auch noch ins Zivilgesetzbuch?

Sicher ist es auch Symbolpolitik. Aber wenn wir den Gesetzesartikel aufnehmen, dann müssen wir natürlich auch Arbeit machen: kommunizieren und sensibilisieren.

Wer kontrolliert, ob die Eltern wirklich gewaltfrei erziehen?

Das kann man nicht in diesem Sinne kontrollieren. Mit dem Strafgesetzbuch haben wir ein Verbot und es kann geahndet werden, wenn man Gewalt feststellen kann. Aber hier im Zivilgesetzbuch geht es vielmehr darum, Gebote auszusprechen und die Eltern im Sinne einer Signalwirkung dazu aufrufen, andere Erziehungsmethoden anzuwenden.

Was empfehlen Sie aus Ihrer Sicht als Mutter Eltern, die Gewalt ablehnen, jedoch aus der Überforderung heraus manchmal schreien oder auch Klapse geben?

Wenn ich eine nervöse Mutter bin, weil ich viel arbeiten muss, dann ist der Austausch wichtig. Sei es mit dem Mann, mit Kolleginnen, mit der Familie. Oder sonst gibt es auch andere Möglichkeiten. Nicht Therapie, aber eine Form von Rücksprache mit Stellen, die uns gut informieren können.

Das Gespräch führte Nathalie Christen.

Tagesschau, 14.12.2022, 18:00 Uhr ; 

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