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Mustafa Atici: «Die vielen Anfeindungen haben mich verletzt»
Aus Tagesgespräch vom 08.04.2024. Bild: KEYSTONE/Alessandro della Valle
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Regierungsrat Basel-Stadt Atici: «Ich habe entschieden, offen über Anfeindungen zu reden»

Am Wochenende wurde Mustafa Atici als erster Regierungsrat mit türkisch-kurdischen Wurzeln im Kanton Basel-Stadt gewählt. Es sei ein harter Wahlkampf gewesen, noch nie vorher habe er so viele Anfeindungen aufgrund seiner Herkunft erhalten.

Mustafa Atici

Mustafa Atici

Regierungsrat Basel-Stadt

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Mustafa Atici wurde 1969 in Elbistan (Türkei) geboren und kam 1992 in die Schweiz, wo er an der Universität Basel ein zusätzliches Studium abschloss. Er ist in der Gastronomie, als Berater und selbstständiger Unternehmer tätig. Ab 2004 war er knapp 14 Jahre als SP-Politiker im Parlament des Kantons Basel-Stadt tätig. Von 2019 bis 2023 war er im Nationalrat. Den Sitz verlor er 2023, als auch der Kanton Basel-Stadt einen der zuvor fünf Sitze verlor. Im April 2024 wurde er nun als Ersatz für Bundesrat Beat Jans in die Regierung des Kantons Basel-Stadt gewählt.

SRF News: Mustafa Atici, Sie wurden im Wahlkampf kritisiert, dass Sie kein Dialekt sprechen. Sie haben das immer mit Humor gekontert. Nehmen Sie solche Kritik immer so gelassen?

Mustafa Atici: Ich nehme diese Kritik sehr gelassen, denn meine Motivation ist sehr gross. Ich konnte mit meinen Sprachkenntnissen eine Firma aufbauen, mein Studium, meinen Master absolvieren. Auch in der Politik ist es wichtig, dass man Inhalte hat, dass diese Inhalte praxisbezogen sind.

Was ich in den letzten zwei Monaten erlebt habe, habe ich in meinen 20 Jahren in der Politik noch nie erlebt.

Aber natürlich, wenn meine Texte korrigiert werden müssen, dann gehört das auch dazu. Es ist eine Realität unseres Landes, wir haben so viele Migrantinnen und Migranten. Ich bin ein Teil dieses Landes und bin erfolgreich unterwegs. Diese Sprachdiskussion hat mich nicht gestört, obwohl es bisher in meinen 20 Jahren in der Politik noch nie ein Thema war. Was mich dagegen gestört hat: Ich habe zum ersten Mal viele Anfeindungen, böse Briefe erhalten und dumme Kommentare. Das hat mich nachdenklich gestimmt.

In diesem Wahlkampf?

Was ich in den letzten zwei Monaten erlebt habe, habe ich in meinen 20 Jahren in der Politik noch nie erlebt. Ich habe mich entschieden, offen darüber zu reden. Weil ich immer sage, ich will in meiner Rolle Menschen ermutigen. Auch bei Misserfolgen sollen sie kämpfen, in unserem Land gibt es viele Möglichkeiten.

Aber ich habe selbst, obwohl ich so motiviert bin, in den letzten zwei Monaten so viel erlebt, dass ich denke, es gibt innerhalb der Gesellschaft ein Problem. Fremdenfeindlichkeit schürt Rassismus, schürt Antisemitismus, das alles zielt in eine Richtung und das finde ich gefährlich. Darüber sollte man offen diskutieren.

Können Sie ein Beispiel geben?

Ich habe Briefe erhalten und habe gemerkt, wie viel böse Energie darin steckt. Das finde ich gefährlich.

Haben Sie diese Angriffe verletzt?

Ja, schon. Ich bin jemand, der sehr patriotisch denkt. Das mag komisch tönen, es ist aber so. Ich liebe die Schweiz und Basel, und wir sind ein tolles Land. Und ich sage meinen Buben immer, wir haben viel profitiert von den Alteingesessenen. Jetzt seid ihr dran, ihr sollt kämpfen, damit es diesem Land weiterhin gut geht.

Rassismus und Antisemitismus nehmen überall zu. Dagegen müssen wir kämpfen.

Und wenn man nachher solche Anfeindungen erlebt, dann denkt man: ‹Nein, shit – wenn mir das passiert, wie ist es dann bei allen anderen?› Es sind schlechte Realitäten, die einen nachdenklich machen und verletzen.

Mustafa Atici, kurze, graue Haarde, dunkle Augen, bruschige Augenbrauen, blättert in Ordner, am Tisch sitzend.
Legende: Der 54-jährige Mustafa Atici ist gebürtiger Kurde und kam mit 23 Jahren aus der Türkei in die Schweiz. KEYSTONE / Georgios Kefalas

Was können Sie als Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt dagegen machen?

Ich habe mich entschieden, öffentlich darüber zu reden. Ich werde mit grosser Sensibilität diese Themen angehen. Wenn ich in diesem Zusammenhang etwas mitbekomme, dann werde ich auch sofort reagieren und werde sagen, wir müssen jetzt darüber reden.

Eine grössere Öffentlichkeit schaffen?

Ja. Nicht einfach sagen: ‹Das sind ein paar Leute, die selber im Leben Probleme haben, die muss man nicht so ernst nehmen.› Doch, es macht mir Sorgen. Ich sehe die Entwicklung in Amerika und die Polarisierung auch in anderen Ländern. Rassismus, Antisemitismus nehmen überall zu. Dagegen müssen wir kämpfen und das heisst für mich, jede Diskriminierung in diesem Bereich ernst zu nehmen.

Das Interview führte Karoline Arn, es ist ein Auszug des Tagesgesprächs.

Tagesgespräch, 8.4.2024, 13 Uhr;

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