Ein frühlingshafter Dienstagabend im Berner Seeland. Hinter den Gefängnismauern von Witzwil machen sich rund zwanzig Insassen bereit fürs Training. Am Rand des Fussballfeldes stülpen sie die Nockenschuhe über.
Einer von ihnen ist Marco*, gut zwanzig Jahre alt, sportlich. Er verbringt in Witzwil das letzte Jahr einer mehrjährigen Haftstrafe.
M. hat noch nie in einem Fussballclub gespielt. «Es ist eine gute Sache. Du kriegst den Kopf frei und kannst Dich auspowern, einfach neue Kräfte sammeln.» Das Training und die Spiele gehören zu seinen Highlights im Strafvollzug.
Du kriegst den Kopf frei und kannst Dich auspowern, einfach neue Kräfte sammeln.
Ansonsten besteht sein Alltag aus der Arbeit in der Schlosserei und etwas Freizeit. Den Rest verbringt er in seiner winzigen Zelle.
Zurück auf den Rasen. Aus Insassen ein Team zu formen sei nicht einfach, sagt Richard Benkert, einer von zwei Trainern. Aufgrund der Ein- und Austritte gebe es viele Wechsel. Und: «Wir haben Leute mit verschiedenen kulturellen Hintergründen, verschiedenen Sprachen, die Individuen sind unterschiedlich.» Alle müssten einzeln abgeholt und integriert werden.
Das bringt Fussball im Gefängnis
Doch was bringt Fussball im Knast? Körperliche Fitness und Gesundheit, sagt Balz Bütikofer, der Direktor der Justizvollzugsanstalt Witzwil. Aber es gehe auch um den Umgang untereinander: «Das müssen wir hier trainieren. Es gehört zu unserem Leben, dass wir in der Gesellschaft funktionieren können.»
Die offene Vollzugsanstalt in Witzwil sei für die meisten Insassen die letzte Station vor der Haftentlassung, ein Herantasten an die Freiheit sei daher nötig.
Fussball im Knast – mit Verhätschelung habe das nichts zu tun, so Direktor Bütikofer: «Die Leute arbeiten acht Stunden täglich. Um 21.30 Uhr geht ihre Zellentüre zu. Die Zeit zwischendrin ist für die Insassen verdiente Freizeit.»
Gute eine Woche später ist Matchtag. Der FC EDA des Aussendepartements fährt in einer Autokolonne durch das Gefängnistor auf das Gelände. Wie der FC Witzwil spielt die Mannschaft in der Berner Firmenliga. Neben dem Spielfeld gibt der Trainer den EDA-Spielern Anweisungen: «Denkt daran, es wird ein Match sein, wo männlich gespielt wird. Es geht nur, wenn wir dagegenhalten».
Auf dem Spielfeld treffen sie auf eine bunte Truppe von Insassen, die meisten körperlich durchtrainiert. In dieser Mannschaft hat auch schon mal der eine oder andere straffällige Ex-Fussballprofi mitgespielt. Das Spiel an diesem Abend: Hart, einigermassen fair, und spannend.
Spieler geraten aneinander
Gegen Schluss wird es hitzig: Zwei Spieler des FC Witzwil geraten aneinander. Trainer und Sicherheitsmann Holger Teismann schlichtet und erklärt: «Sie versuchen alles aus sich rauszuholen, um wie wir das Spiel zu gewinnen». Wohl auch deshalb gibt es in der Liga eine Mannschaft, die gar nicht erst nach Witzwil kommt, sondern Forfait gibt.
Am Ende resultiert ein versöhnliches 2:2-Unentschieden. Und ein paar gelbe Karten. Für die Insassen hat das Folgen: Bei gelben und roten Karten gibts von der Vollzugsanstalt Geldbussen. Auch das gehört hier zur Übungsanlage.
Um 21.15 Uhr verlassen die Insassen das Spielfeld. Auch Marco macht sich auf den Weg: «Wir haben super gespielt, alle haben super mitgemacht. Jetzt bin ich kaputt.» Noch 15 Minuten bleiben für die Dusche, dann schliesst für alle die Zellentüre.
*Name geändert