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Ressourcen-Irrsinn Krücken Pure Verschwendung – Zehntausende Krücken nur einmal verwendet

Über 20'000 neuer Krücken verrechneten Abgabestellen von Krücken im letzten Jahr allein über die Mittel- und Gegenständeliste MiGel den Krankenkassen. Diese Zahlen des Krankenkassenverbandes Santésuisse liegen «Kassensturz» exklusiv vor. Doch das ist nur ein Teil aller abgegeben Krücken. Denn noch öfter rechnen Spitäler Krücken vermutlich über die Fallpauschalen ab. Darüber führt aber niemand Buch. Spitäler und Kliniken geben jährlich also mehrere Zehntausend neuer Krücken ab.

Krücken vor der Mülltonne
Legende: Die Krücken sind teils noch intakt, werden jedoch einfach weggeworfen. SRF

Allein die Privatklinik Gut in St. Moritz gibt pro Jahr rund 2000 Krückenpaare an Patienten ab. Die wenigsten kämen zurück in die Klinik, erklärt Klinik-Chef Hanspeter Frank gegenüber «Kassensturz». Diese Occasions-Krücken ein zweites Mal an Patienten abzugeben, käme aber nicht in Frage: «Für uns macht das ökonomisch und ökologisch keinen Sinn.»

Überprüfung der Krücken für Kliniken zu teuer

Denn: Die Gehhilfen unterstehen der Medizinprodukteverordnung. Darin heisst es, dass eine Instandhaltung «nach den Grundsätzen der Qualitätssicherung» zu erfolgen hat. Und zwar nach den «Anweisungen der Person, die das Produkt erstmals in Verkehr gebracht hat.» Mit anderen Worten: Der Hersteller bestimmt selbst, nach welchen Kriterien die Instandhaltung zu erfolgen hat.

Krücken an Hilfswerke

Für die Klinik Gut in St. Moritz beispielsweise würde dies laut Geschäftsführer Hanspeter Frank einen enormen Aufwand bedeuten, nämlich, dass sie die Krücken nach Deutschland karren, dort prüfen und wieder nach St. Moritz bringen müssten. «Das rechnet sich nicht – neue Krücken kommen uns mit knapp 25 Franken günstiger».

In den letzten Jahren hat die Klinik zurückgebrachte Krücken an ein Hilfswerk in Kirgisen abgegeben, sagt Frank. Dieses Jahr sind aber viele Krücken im Entsorgungshof der Gemeinde gelandet. Dort hat sie Manuela Zampatti entdeckt.

Die St. Moritzer Musikschullehrerin stört sich daran, dass völlig intakte Gehhilfen entsorgt werden. «Wir schmeissen hier Krücken weg, während Bedürftige in der Schweiz oder andernorts auf der Welt dankbar dafür wären.»

Kaufzwang neuer Gehhilfen

Eine neue Regelung des Bundesamtes für Gesundheit befeuert diesen Krücken-Irrsinn noch.

Seit Mitte 2017 müssen Abgabestellen Krücken verkaufen, wollen sie diese einer Krankenkasse verrechnen. Vermietete Gehhilfen werden von den Versicherungen nicht mehr übernommen. Und tatsächlich: Die Anzahl der vermieteten und somit mehrmals verwendeten Gehhilfen sank im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent auf gut 5000 Paare.

Grafik: Rückgang Miete / Steigende Kurve bei Kauf
Legende: Die Anzahl der gemieteten Krücken ist in den letzten Jahren stark gesunken. SRF

Erfreulich: Die Verantwortlichen der St. Moritzer Privatklinik Gut haben zwischenzeitlich eine Lösung für zurückgebrachte Krücken gefunden. Künftig werden sie an ein Hilfswerk in Burkina Faso weitergereicht.

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