Die Strompreise spielen verrückt, seit dem Ukraine-Krieg erst recht – und deshalb soll die Schweizer Strombranche vorübergehend einen Rettungsschirm erhalten. Das will nach dem Bundesrat auch der Ständerat. Denn die Strombörse in Leipzig fordert bei steigenden Preisen auch viel höhere Summen als Sicherheit von den Unternehmen – was diese überfordern kann. Im Notfall soll der Bund nun mit bis zu zehn Milliarden Franken für sie einspringen. Dafür gekämpft hat auch Jakob Stark, Verwaltungsrat des Stromkonzerns Axpo und SVP-Ständerat.
SRF News: Der Ständerat möchte einen Rettungsschirm. Freut Sie das mehr als Bürger oder als Verwaltungsrat der Axpo, die damit ja auch geschützt wird?
Jakob Stark: Das freut mich vor allem als Bürger.
Warum?
Weil dieser Strommarkt bei Extremereignissen nicht funktioniert. Nun haben wir eine Versicherungslösung. Auch wenn man sie vermutlich gar nicht braucht, stellt sie sicher, dass nicht zusätzlich zum Strommarktversagen ein Stromversorgungsproblem eintritt.
Auch als Axpo-Verwaltungsrat haben Sie also Freude am Rettungsschirm. Wie dringend braucht die Axpo denn einen?
Als Axpo-Verwaltungsrat hatte ich immer gemischte Gefühle. Wir haben in ganz Europa ein Marktversagen, wenn die Preise in die Höhe schnellen. Wir müssen die Börse in Leipzig schnell reformieren. Für die Schweizer Unternehmen ist die Vorlage wichtig. Aber ich denke, man hätte auch damit leben können, wenn die Vorlage abgelehnt worden wäre. Das Parlament sagte klar: Im Ernstfall könnte der Bundesrat per Notrecht handeln.
Sind die emporschnellenden Preise die Kehrseite der teilweisen Strommarkt-Liberalisierung, die wir in der Schweiz für die grossen und mittleren Unternehmen haben?
Auf jeden Fall. Die Strommarkt-Liberalisierung in Europa ist ein Schönwetterprojekt. Diese Szenarien hat man gar nie gesehen. Und mit der Knappheit in der Stromversorgung muss der Staat wieder mehr eingreifen, er muss das Angebot steuern und Lösungen bereithalten, wenn die Märkte versagen. Das ist schon jetzt die grosse Aufgabe.
Es wird eine Herausforderung sein, die Marktwirtschaft mit staatlichen Eingriffen zu kombinieren.
Deshalb war ich heute so froh, dass diese Vorlage als Versicherungslösung überwiesen wurde. Aber die Frage, wie wir diesen Markt in Zukunft regulieren, muss weiter intensiv diskutiert werden. Wir müssen ihn ganz schnell reformieren.
Sollte die Liberalisierung rückgängig gemacht werden?
Sie könnten sagen, wenn der Staat schon so stark eingreifen muss, dann könnten wir auch zurück zum Monopol. Aber wenn Sie die Schweiz in Europa sehen, die Entwicklung, die wir gemacht haben, ist das auch ein Rezept. Es wird darauf hinauslaufen, dass wir gewisse Mechanismen in die Gesetze einbauen. Diese sollen das Angebot ein Stück weit steuern und erhöhen.
Wenn es andere Gründe als Marktversagen gibt, dass ein Unternehmen in Schwierigkeiten ist, hat der Staat dort nichts zu suchen.
Aber sie sollen auch Einfluss nehmen, dass die Preise nicht explodieren. So könnten die Unternehmen ihr Geschäft sicherer machen und langfristig investieren, ohne dabei Riesengewinne einzufahren. Dort wird wieder Geld zurückfliessen müssen. Es wird eine Herausforderung sein, die Marktwirtschaft mit staatlichen Eingriffen zu kombinieren.
Sofern der Nationalrat auch Ja sagt, bekommt die Branche faktisch eine Staatsgarantie. Das macht die Branche auch attraktiver für Kreditgeber wie Banken. Kann es sein, dass der Rettungsschirm vielleicht gar nie gebraucht wird – und zwar einfach, weil es ihn gibt?
Das ist zu hoffen, und das glaube ich auch. Aber das ist keine volle Staatsgarantie: Das ist nur für dieses Marktversagen, wenn die Liquidität fehlt. Es liegt dann am Bund, festzustellen, woran es liegt. Und wenn es andere Gründe gibt, dass ein Unternehmen in Schwierigkeiten ist, hat der Staat dort nichts zu suchen. Nur im Falle des Marktversagens, beispielsweise bei einem Krieg wie in der Ukraine.
Werden wir in diesem Winter einen Engpass haben? Was sagen Sie auf einer Skala von 0 ganz sicher bis 10 sicher nicht?
Neun.
Das Gespräch führte Nathalie Christen.