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Revision Sexualstrafrecht Die wichtigsten Antworten zur «Nur Ja heisst Ja»-Lösung

Eine Studie von GFS Bern im Auftrag von Amnesty International Schweiz kommt zum Schluss, dass eine Mehrheit die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung befürwortet. Heute sprach sich der Bundesrat für die «Nein heisst Nein»-Lösung aus. Doch was bedeutet das eigentlich und wo liegen die Unterschiede?

Was bedeutet die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung? Laut der «Nur ja heisst ja»-Lösung, auch Zustimmungs- oder Konsensregelung genannt, sollen sexuelle Handlungen, namentlich Geschlechtsverkehr, ohne explizite Zustimmung als Vergewaltigung bestraft werden.

Was bedeutet die «Nein heisst Nein»-Lösung? Laut der «Nein heisst Nein»-Lösung würde sich strafbar machen, wer sexuelle Handlungen vornimmt oder vornehmen lässt gegen den Willen der anderen Person. Diese muss ihre Ablehnung verbal oder nonverbal ausgedrückt haben. Die «Nein heisst Nein»-Lösung geht davon aus, dass sexuelle Handlungen in der Regel im gegenseitigen Einverständnis erfolgen, ausser die Person macht das Gegenteil deutlich.

Was hätte das Zustimmungsprinzip für juristische Auswirkungen? Eveline Roos, Rechtsanwältin und Fachanwältin Strafrecht aus Solothurn, befürchtet, dass mit der «Nur Ja heisst Ja»-Lösung eine Beweislastumkehrung stattfinden würde, «das heisst, es sind nicht mehr die Strafverfolgungsbehörden, die darlegen müssen, dass die Vorwürfe stimmen; der Beschuldigte müsste den Beweis erbringen, dass die Zustimmung erfolgte. Das würde eine Verletzung der Unschuldsvermutung bedeuten, die eine wichtige Errungenschaft des Rechtsstaates ist.»

Dieser Aussage widerspricht Nora Scheidegger, Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht. Sie sagt, unter den Befürworterinnen und Befürworter sei «absolut unbestritten, dass auch unter der ‹Nur Ja heisst Ja›-Lösung der beschuldigten Person immer noch durch die Strafverfolgungsbehörden nachgewiesen werden müsste, dass keine Zustimmung vorgelegen hat und ihr dies bewusst war».

Voraussetzung für einen Straftatbestand

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Heute wird für den strafrechtlichen Tatbestand einer sexuellen Nötigung (Art. 189 StGB) oder einer Vergewaltigung (Art. 190 StGB) ein Zwang vorausgesetzt, also zum Beispiel physische Gewalt oder Drohung. Zudem umfasst der Tatbestand der Vergewaltigung heute nur Frauen.

Würde die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung zu einer Anzeigeflut führen? Anwältin Eveline Roos rechnet mit mehr Anzeigen, würde die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung eingeführt werden, und dass dann auch die Quote für Verurteilungen steigen würde. Auch Nora Scheidegger rechnet damit, dass die Anzeigequote von Sexualdelikten mit der «Nur Ja heisst Ja»-Lösung zunehmen würde. Sie erachte das aber nicht grundsätzlich als Problem, sondern «eher die Tatsache, dass so viele Opfer aktuell nicht anzeigen».

Was sagen Bundesrat und Parlament? Noch wurde die Revision des Sexualstrafrechts nicht in den Räten behandelt. Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats war jedoch für die Ausarbeitung eines Entwurfs für ein revidiertes Sexualstrafrecht zuständig. Eine Mehrheit der Kommission sprach sich dabei für die «Nein heisst Nein»-Lösung und gegen die «Nur Ja heisst Ja»-Lösung aus. Laut der Mehrheit der Kommission würde die «Nein heisst Nein»-Lösung für mehr Klarheit sorgen als die Zustimmungslösung. Denn ein konkludentes – also schlüssiges – Nein (z.B. ein Kopfschütteln) könne vom Gegenüber einfacher wahrgenommen werden als ein konkludentes Ja. Auch der Bundesrat sprach sich in seiner heutigen Stellungnahme zum Gesetzesentwurf für die «Nein heisst Nein»-Lösung aus. Der Gesetzesentwurf soll voraussichtlich in der kommenden Sommersession im Ständerat behandelt werden.

Info 3, 13.04.2022, 17:00 Uhr

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