Zum Inhalt springen

Rezepte gegen Lehrermangel Heinz Rhyn: «Diplomlose Lehrkräfte sollen befristet unterrichten»

Personen ohne Lehrdiplom können gleich viel verdienen wie ausgebildete Lehrkräfte. Das stösst den PH sauer auf.

Der Lehrpersonenmangel ist seit Jahren in den Schlagzeilen – und wird es wohl auch in Zukunft bleiben. Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahr 2031 zwischen 9'000 und 13'000 Lehrpersonen fehlen werden.

Die Pädagogischen Hochschulen (PH) stehen dabei seit ihrer Gründung vor 20 Jahren immer wieder in der Kritik. Der Präsident der Kammer der Pädagogischen Hochschulen und Rektor der PH Zürich, Heinz Rhyn, äussert sich im Tagesgespräch zu den Forderungen der Politik und zu seinem Rezept gegen den Lehrermangel.

Heinz Rhyn

Rektor der Pädagogischen Hochschule Zürich

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Heinz Rhyn ist seit 2016 Rektor der Pädagogischen Hochschule Zürich. Vor vier Jahren wurde er Präsident der Kammer der PH, also der Konferenz der Rektoren der Pädagogischen Hochschulen.  

Rhyn liess sich zum Primarlehrer ausbilden. Danach studierte er Psychologie, Pädagogik und Psychopathologie an der Universität Bern. Nach dem Lizentiat in Psychologie promovierte er 1996 in allgemeiner Pädagogik.

SRF: Es gibt kritische Stimmen, die sagen, der Lehrermangel sei hausgemacht, weil die Ausbildung nicht attraktiv genug sei.

Heinz Rhyn: Ich möchte darauf hinweisen, dass sich die Zahl der Studierenden in den letzten 20 Jahren verdoppelt hat. Es scheint also gar nicht so unattraktiv zu sein.

Es wird gefordert, die Einstiegshürden in den Beruf zu erhöhen. Damit der Beruf wieder an Prestige gewinnt. Andere sind der Meinung, dass die Ausbildung weniger akademisch sein sollte. Was ist das richtige Rezept gegen den Lehrermangel?

Akademisch bedeutet zunächst nur, dass die Ausbildung an einer Hochschule stattfindet. Sich zu bilden bedeutet auch, sich mit bestimmten Themen auseinanderzusetzen. Es stimmt, die Hürden für ein Studium zu erhöhen, ist eine Forderung, die immer wieder auftaucht. Sie ist an sich richtig, aber derzeit kaum umsetzbar.

Warum ist das richtig?

Wir sehen in anderen Ländern, dass dort, wo die Hürden zum Studium höher sind, auch das Interesse am Lehrerberuf höher ist und die Hochschulen dadurch eine Auswahl an Studierenden haben.

Lehrkräfte ohne Diplom sind eine Notmassnahme.

Wir können aber nicht in einer Zeit, in der wir zu wenig Lehrerinnen und Lehrer haben, die Hürden erhöhen. Politisch und in der Öffentlichkeit gäbe es dafür derzeit keine Unterstützung.

Es unterrichten immer mehr Personen ohne Lehrdiplom. Im Schuljahr 2022/23 verfügten etwa im Kanton Zürich 15 Prozent der Lehrkräfte auf der Sekundarstufe über keine entsprechende Ausbildung. Diese Entwicklung steht im Widerspruch zur Forderung nach einer Erhöhung der Eintrittshürden.

Da sind wir in einer schwierigen Situation. Ich muss aber trotzdem sagen, dass wir im Moment sehr dankbar sein müssen für die Lehrerinnen und Lehrer ohne Lehrdiplom. Das ist keine leichte Aufgabe. Wir wissen inzwischen, dass es an vielen Orten gut funktioniert. Wir wissen aber auch, dass es an manchen Stellen überhaupt nicht gut funktioniert. Insofern kann man nicht für oder gegen die Lehrkräfte ohne Diplom sein, weil es eine Notmassnahme ist. Ich halte es aber für wichtig, dass diese Notmassnahme zeitlich begrenzt ist. Diejenigen, die unterrichten, sollten früher oder später ein Studium absolvieren.

In Zürich muss nach einem Jahr entweder die Stelle gewechselt oder die Ausbildung begonnen werden. In anderen Kantonen ist dies nicht der Fall, dort erhalten Lehrpersonen ohne Diplom nach einer gewissen Zeit sogar den gleichen Lohn wie ausgebildete Lehrpersonen.

Ich persönlich halte eine solche Handhabung für problematisch. Ich bin der Meinung, dass der im Kanton Zürich eingeschlagene Weg der richtige ist. Aus diesem Grund rate ich meinen Studierenden immer, das Studium abzuschliessen, auch wenn es im Moment möglich ist, ohne Diplom zu unterrichten. Denn früher oder später müssen sie das Studium sowieso machen.

Das Gespräch führte Karoline Arn.

Studierende empfehlen ihre Schule nicht

Box aufklappen Box zuklappen

Viele Pädagogik-Studierende der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) sind nicht zufrieden mit ihrer Ausbildung. Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage, die Studierende im Juli 2024 durchgeführt haben. Sie wünschen sich unter anderem praxisbezogenere Inhalte und mehr Flexibilität bei der Auswahl der Kurse. Besonders deutlich wird die Kritik an der Schule bei den Antworten auf die Aussage «Ich kann die PH FHNW als gute Hochschule weiterempfehlen». Gut 58 Prozent der Befragten kreuzten an, dass sie dieser Aussage «nicht» oder «gar nicht» zustimmen. Nur knapp 15 Prozent stimmten der Aussage zu, fast ein Drittel der Befragten nahm eine neutrale Haltung ein. An der Umfrage haben 823 Studierende teilgenommen. Das entspricht etwa einem Fünftel aller PH-Studierenden der FHNW.

Tagesgespräch, 21.8.2024, 13 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel