Es sei ein «gruusiges» Gefühl gewesen, als der Angeklagte in ihrer Nähe masturbiert habe. Das sagte eines der 35 mutmasslichen Opfer am Montag vor dem Amtsgericht Olten-Gösgen. Das Mädchen war zur Tatzeit, im Sommer 2022, gerade erst 15 Jahre alt.
Der Beschuldigte habe sie und ihre gleichaltrige Kollegin angesprochen und gefragt, ob sie «ihm einen runterholen» wollten. Daraufhin flüchteten die beiden Mädchen auf ihren Trottinetten.
35 Opfer über 5 Jahre
Beim Beschuldigten handelt es sich um einen ehemaligen Aargauer Mitte-Grossrat. Ihm werden neben mehrfachem Exhibitionismus auch mehrfache sexuelle Handlungen mit Kindern vorgeworfen.
Angeklagt ist er wegen 26 Handlungen zum Nachteil von 35 Mädchen und jungen Frauen, im Zeitraum von 2017 bis 2022. Alle Fälle sollen sich an der Aare zwischen Olten und Aarau abgespielt haben. Das jüngste mutmassliche Opfer war erst 13 Jahre alt.
Die Opfer berichteten vor dem Amtsgericht alle über ähnliche Vorfälle: Der Mann zeigte sich nackt und sprach die Mädchen und Frauen ungebührend an. Manchen rannte er nach, manche fasste er an, manche hielt er fest, manchmal masturbierte er.
Gemäss Aussagen vor Gericht badete er in einigen Fällen nackt in der Aare, oder er schlich sich nackt an Opfer heran, die sich sonnten. Einem der Opfer soll er nackt auf einem Velo nachgestellt haben.
Schock, Ekel, Angst
Viele der Frauen leiden bis heute unter diesen Vorfällen, sie berichten vor Gericht von Schock, Ekel oder Angst aufgrund der Vorfälle. Manche sagten aus, dass sie sich nicht mehr alleine an die Aare oder in den Wald trauen würden. Fast alle Zeuginnen haben den Beschuldigten vor Gericht als Täter identifiziert.
Der heute 55-Jährige war im Juli 2022 von der Kantonspolizei Solothurn an der Aare in Erlinsbach festgenommen worden. Patrouillen waren dort unterwegs, nachdem es über mehrere Jahre immer wieder Meldungen gegeben hatte, dass sich ein unbekannter Mann im solothurnischen Niederamt oberhalb von Aarau im Naherholungsgebiet nackt gezeigt und exhibitionistische Handlungen vorgenommen habe.
Beschuldigter teilweise geständig
Der beschuldigte ehemalige Politiker wurde am Dienstag, dem zweiten Tag der Verhandlung, vernommen. Vor Gericht hat er einen Teil der Taten gestanden. Weitere Taten bestreitet der Angeklagte, vor allem solche, bei denen es um Übergriffe geht; zudem kann er sich an verschiedene Vorfälle nicht erinnern.
Der Angeklagte erzählte vor Gericht, dass er in seiner Kindheit sehr viel Gewalt erlebt habe, auch physische Gewalt. Er betonte, dass ihn die Befragung der Zeuginnen betroffen gemacht habe. Er sei vor Gericht gekommen, um Verantwortung zu übernehmen, sich zu entschuldigen und seine Strafe entgegenzunehmen.
Der Beschuldigte war längere Zeit in Untersuchungshaft gewesen, befindet sich aber wieder auf freiem Fuss. Er darf sich nicht mehr in jenem Gebiet aufhalten, in dem er die Taten begangen haben soll. Ausserdem muss er einmal die Woche einen Psychiater aufsuchen, er wird mit einem antidepressiven Medikament behandelt.
Urteil soll im Dezember folgen
Vor dem Amtsgericht Olten-Gösgen forderte die Staatsanwaltschaft 20 Monate Gefängnis bedingt, für den Angeklagten Aargauer Alt-Grossrat. Zudem soll ein Tätigkeitsverbot mit Minderjährigen verhängt werden. Die Verteidigung fordert 18 Monate bedingt. Das Urteil soll am 16. Dezember bekannt gegeben werden.