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Ruag International Emmen bäckt Raketenspitzen fürs Weltall

Der vorderste Teil einer Rakete muss extreme Belastungen aushalten. Ruag in Emmen kennt das dafür notwendige Rezept.

Extrem hart, extrem hitzebeständig, extrem leicht: So müssen Raketenspitzen sein. Denn nur so überleben die sensiblen Satelliten, die in der Rakete mittransportiert werden, den Start durch die Erdatmosphäre. Und wenn zum Beispiel die europäischen Ariane-Raketen Richtung All schiessen, dann kommt diese Schutzhülle aus dem luzernischen Emmen.

Gleich neben dem Militärflugplatz hat die Ruag International ihre Produktionshallen, wo sie – neben anderen Hightech-Geräten für die Raumfahrt – eben diese Raketenspitzen herstellt. In der Fachsprache heissen sie «Nutzlastverkleidung». Die Verantwortlichen des Staatsbetriebs gaben am Mittwoch Einblick in die aufwendige Produktion, Anlass dazu war ein spektakulärer Flugtransport einer 20 Meter langen Raketenspitze für die US-amerikanische Trägerrakete Atlas V.

Die Ruag Space hat die Entwicklung ihrer Raketenspitzen in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Inzwischen werden sie aus einem Guss hergestellt. Oder besser gesagt: gebacken. Denn tatsächlich gleicht der technische Ablauf dem Backen in der Gastronomie – einfach in viel grösseren Dimensionen.

So stehen in einer Halle 20 Meter lange Backformen. Diese belegen die Ruag-Spezialisten mit Schichten aus verschiedenen Materialien: So etwa mit Aluminium in besonderer Wabenform, mit einem Kohlen-Glasfaser-Gewebe und mit Kork.

Mitarbeiter bereiten eine der Materialschichten vor. Im Hintergrund die bereits belegte Backform der Raketenspitze.
Legende: Mitarbeiter bereiten eine der Materialschichten vor. Im Hintergrund die bereits belegte Backform der Raketenspitze. Keystone

Ist die Backform mit den Materialschichten ausgelegt, geht sie eine Halle weiter. In den Ofen. «Dort hängen wir hinten Rohre an, die heisse Luft in die Backform blasen», sagt Franz Straumann. Während mehrerer Stunden geht die Temperatur auf 160 Grad. So werden die Schichten verklebt und werden zur harten Schale.

Dabei darf es keine Fehler geben. Denn Raketenstarts sind Milliardenprojekte und von der Belastbarkeit der Raketenspitze hängt ein grosser Teil des Erfolgs ab. Das Material wird deshalb genaustens geprüft – in einer Ultraschall-Kontrollstation. Auf der einen Seite des Materials sendet das Gerät Ultraschallsignale aus. «Und dann schaut man, ob auf der anderen Seite etwas ankommt», erklärt Franz Straumann. «Wenn das nicht der Fall ist, dann wäre innen etwas nicht richtig verklebt.» Und dann muss das Material repariert werden.

Die Ultraschall-Kontrollstation
Legende: Die Ultraschall-Kontrollstation: Hier werden die gebackenen Schalen auf Herz und Nieren geprüft. zvg Ruag International

Ist alles in Ordnung, dann werden die Halbschalen fertig zugeschnitten und schliesslich miteinander verbunden. Dabei baut die Ruag aber gleich ein Trennungssystem ein. Denn die Raketenspitze wird, sobald die Rakete den luftleeren Raum erreicht, weggesprengt. «Das passiert rund drei Minuten nach dem Start in einer Höhe von rund 120 bis 150 Kilometern.»

Es ist der letzte entscheidende Moment im «Leben» der Emmer Raketenspitzen. Wichtig ist, dass die beiden Hälften der Spitze sauber auseinandergestossen werden und den Rest der Rakete mit den sensiblen Satelliten nicht beschädigen.

Auch diese Trennungssysteme stellt die Ruag Space her. Bisher mit durchgehendem Erfolg: Die Wegsprengung hat immer geklappt. Deshalb geniessen die Emmer Produkte weltweit einen guten Ruf. Neben europäischen und amerikanischen wird die Ruag künftig auch japanische Raketen mit ihren Nutzlastverkleidungen ausstatten.

Regionaljournal Zentrlaschweiz, 30.09.2020, 17:30 Uhr ; 

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