Balthasar Glättli tritt nächsten April nicht mehr zur Wiederwahl als Präsident der Grünen an. Im «Tagesgespräch» von Radio SRF spricht er über die Gründe für seinen Entscheid – und über seinen persönlichen Anteil an der Wahlschlappe seiner Partei.
SRF News: Nehmen Sie die Niederlage bei den vergangenen Parlamentswahlen auf Ihre Kappe?
Balthasar Glättli: Als Präsident ist man mitverantwortlich, aber es gibt nie nur einen, der die ganze Verantwortung trägt. Es ist ein Gemeinschaftswerk. Aber ich bin das Gesicht des Wahlkampfes, in dem wir unsere hohen Ambitionen klar verfehlt haben.
Was haben Sie persönlich falsch gemacht?
Es kann auch schon Verantwortung übernommen werden, bevor man weiss, was man hätte besser machen müssen. Während des Wahlkampfes war ich in einer entscheidenden Position, und wenn ich der Meinung gewesen wäre, dass etwas anders gemacht werden müsste, dann hätte ich es gemacht. Das heisst aber nicht, dass ich keine Fehler gemacht habe.
Glättli-Nachfolge: Wer kommt infrage?
Ihnen wurde aus der Partei vorgeworfen, dass Sie nicht der beste Wahlkämpfer sind.
Als fünfzigjähriger Mann bin ich nicht die beste Identifikationsfigur für eine junge, grüne Wählerin. Das ist sicherlich ein Fakt. Auch wenn meine Politik eher zukunftsorientiert und feministisch ist.
Braucht es einen Neuanfang für die Grünen?
Es ist kein Neuanfang in dem Sinne, dass alles anders wird. Vieles ist gut, so wie es ist, und kann so bleiben. Mein Anspruch ist es, ein möglichst stabiles Fundament zu legen und es auch so zu übergeben. Ich werde hier keine Angaben machen, wen ich als meine Nachfolge sehe und auch keine Angaben machen, wie eine politische Neuausrichtung aus meiner Sicht aussehen sollte.
Die neue Person muss bereit sein, alle Arbeiten, die im Hintergrund anfallen, zu erledigen, ohne dass diese zu Ruhm führen.
Es ist die Chance und das Wunder eines Neubeginns, dass es im Prozess noch kein Wissen darüber gibt, wie dieser aussehen könnte. Es muss ganz in der Gestaltungsfreiheit der Nachfolgerin oder des Nachfolgers liegen, wie eine Neuausrichtung aussehen wird.
Was muss Ihre Nachfolgerin oder Ihr Nachfolger mitbringen?
Die neue Person muss bereit sein, alle Arbeiten, die im Hintergrund anfallen, zu erledigen, ohne dass diese zu Ruhm führen. Sie muss die Energie und den Willen haben, die Zukunft mitzugestalten. Es müssen konkrete Vorschläge mitgebracht werden, um die Zukunft zu sichern. Das Eis für unsere Gesellschaft wird immer dünner und wir brauchen dringendst Lösungen. Für diese Aufgabe braucht es eine persönliche Begeisterung. Diese Begeisterung treibt einen durch die langen Tage und kurzen Nächte.
Am 6. April wählen die Delegierten die neue Parteispitze. Was machen Sie ab dem 7. April 2024?
Ausschlafen.
Aber nicht die ganze Zeit, oder?
Nein, aber ich werde so viel wie möglich schlafen. Ich bin jemand, der bis zur letzten Minute in die Pedale tritt, und im Ziel werde ich zu Tex-Avery-Figur. Ich laufe über den Abgrund, meine Beine bewegen sich noch weiter, bis ich merke, dass da nichts mehr ist. Dann falle ich. Ich werde Zeit brauchen, um mich wieder zu fangen. Ich werde Nationalrat bleiben und sicherlich nicht in Langeweile verfallen. Ich werde mir die Zeit nehmen und in Ruhe entscheiden, was ich nebst meinem Nationalratsmandat noch machen werde.
Das Gespräch führte Simone Hulliger, Mitarbeit Géraldine Jäggi.