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Rücktritt von SBB-Chef Ein Befreiungsschlag für beide Seiten

Nach zwölf Jahren im Amt tritt SBB-Chef Andreas Meyer zurück. Die Ankündigung ist für Aussenstehende eine Überraschung. SBB-Präsidentin Monika Ribar und Verkehrsministerin Simonetta Sommargua soll er aber bereits im Mai über seinen Abgang auf spätestens Ende 2020 informiert haben.

Oft kritisiert

Wie auch immer: Der Abgang von Andreas Meyer ist ein Befreiungsschlag für beide Seiten: für die SBB und auch für ihn selbst. Auch wenn die SBB heute mehrfach betonten, dass der Zeitpunkt der Rücktrittsankündigung nichts mit dem tragischen Todesfall eines Zugführers zu tun habe, so hat eben dieser Fall den bereits bestehenden Druck auf Andreas Meyer erhöht.

Vor allem von politischer Seite gab es scharfe Kritik. Sicherheit habe oberste Priorität, mahnte Verkehrsministerin Sommaruga letzte Woche an die Adresse der SBB-Verantwortlichen. Das zuständige Bundesamt für Verkehr (BAV) zweifelt gar die Zuverlässigkeit des Sicherheitsunterhalts bei der SBB an und verlangt deshalb eine externe Untersuchung.

Das alles fällt auf die SBB-Spitze zurück – also auf den CEO, Andreas Meyer. Er trägt die Verantwortung dafür. Daneben sorgen latente Verspätungen, Pannen beim neuen Doppelstockzug von Bombardier und Personalmangel für weitere Negativschlagzeilen.

Meyers Errungenschaften

Dennoch: die jüngsten negativen Ereignisse dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Meyer die SBB in seinen Amtsjahren auch weiterentwickelt hat. Das Bahnangebot wurde massiv ausgebaut, der Taktfahrplan noch enger und Meyer nahm die Kritik von Politik und Preisüberwacher ernst; er sorgte dafür, dass die Billettpreise nicht jedes Jahr angestiegen sind. Meyer durfte in seiner Amtszeit auch den längsten Eisenbahntunnel der Welt einweihen.

Hinterlassene Baustellen

Anderes blieb aber auf der Strecke. Auch wenn Meyer für den Unterhalt der Infrastruktur von der Politik mehr Geld zur Verfügung erhielt, reichte es anscheinend nicht. Der Unterhalt konnte mit dem stetigen Passagierzuwachs und dem erweiterten Angebot nicht mithalten. Hier hinterlässt Meyer seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin eine grosse Baustelle.

Damit nicht genug: Noch immer fehlen zwei Drittel der bestellten neuen Doppelstockwagen von Bombardier. Anstatt neues, modernes Rollmaterial setzt die SBB regelmässig noch fast 500 Bahnwaggons aus den 80-er Jahren ein, auch auf Paradestrecken wie Basel-Bern oder Zürich-Bern.

Ramponiertes Image der SBB

Aber die steten Reorganisationen haben auch den Bähnlerinnen und Bähnler zugesetzt. Meyer hinterlässt ein völlig verunsichertes, teilweise auch unzufriedenes Personal.

Der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Meyer hat also einiges zu tun, um das ramponierte Image bei der SBB wieder aufzupolieren. Das Wichtigste aber wird sein, Vertrauen zurückzugewinnen – bei den Zuggästen, aber auch beim SBB-Personal. Keine leichte Aufgabe.

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