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Rüffel wegen Ukraine-Politik Parlamentarier kritisieren orientierungslosen Bundesrat

Schlecht vorbereitet, ungenügendes Sicherheitsmanagement: Aus dem Parlament gibt es schlechte Noten für den Bundesrat.

Der Krieg: unerwartet, der Bundesrat: unvorbereitet. Das ist im Kern die Kritik der Geschäftsprüfungs-Delegation GPDel. Sie richtet sich erstens an den Sicherheitsausschuss des Bundesrates, zu dem Verteidigungsministerin Viola Amherd, Justizministerin Karin Keller-Sutter und Aussenminister Ignazio Cassis gehören. Zweitens richtet sie sich an die Kerngruppe Sicherheit mit den Spitzen von Nachrichtendienst, Fedpol und Diplomatie.

Die Gremien hätten sich zwar vor dem russischen Angriff auf die Ukraine getroffen, um die Lage zu analysieren, informierten jedoch den Bundesrat nicht darüber. So seien sie dafür verantwortlich, dass die Regierung derart unvorbereitet auf die Krise war.

Bundesrat informiert zum Krieg in der Ukraine
Legende: Die happigen Vorwürfe kommen aus dem Parlament. Die Geschäftsprüfungsdelegation äussert sie in einem Brief an den Bundesrat, dessen Inhalte nun öffentlich wurden. Keystone

Ferner sei weder das Staatssekretariat für Wirtschaft noch das Staatssekretariat für Migration beigezogen worden. Somit habe die Fähigkeit gefehlt, die direkten Folgen des Kriegsausbruchs – mit nie dagewesenen Sanktionen und Anzahl Flüchtenden – einzuschätzen, analysiert die GPDel.

Sicherheitspolitiker bekräftigen Kritik

Ihr Schreiben war an den Bundesrat gerichtet und nicht für die Öffentlichkeit gedacht – weder GPDel noch Bundesrat äussern sich dazu. Doch die Mitglieder der sicherheitspolitischen Kommissionen machen sich Gedanken. So zum Beispiel SP-Sicherheitspolitikerin Franziska Roth: «Ich habe das Schreiben der GPDel gelesen und teile ihre harte Kritik vollumfänglich.»

Roth hat mit weiteren Nationalrätinnen und -räten aus SP und Grüner Partei die Kommunikation des Bundesrates kritisiert. Nun verlangt sie, dass der Bundesrat die Führungsstrukturen so aufbaut, dass sie den Bundesrat in Krisen gut beraten können. «Und dass diese Strukturen so zusammengesetzt sind, dass die Bereiche, die betroffen sind, auch in diese Strukturen einbezogen werden.»

Wo war der Nachrichtendienst, wie wurde der Chef der Armee entsprechend informiert? Aus meiner Sicht war das absolut unzulänglich.
Autor: Alex Kuprecht Ständerat (SVP/SZ)

Auch bei der SVP gibt es Kritik. Sicherheitspolitiker und Ständerat Alex Kuprecht sagt mit Blick auf die warnenden USA: «Von Dezember weg über den Januar und Februar musste man feststellen, dass die Amerikaner sehr früh gewarnt haben. Wo war hier der Nachrichtendienst, wie wurde der Chef der Armee entsprechend informiert? Aus meiner Sicht war das absolut unzulänglich.» Kuprecht fordert eine Aussprache aller Beteiligten und eine bessere Kommunikation gegen aussen und auch gegen innen, unter den zuständigen Sicherheitsgremien.

Braucht es ein eigenes Sicherheitsdepartement?

FDP-Sicherheitspolitikerin Doris Fiala erinnert an ihre Forderung aus den Nuller-Jahren nach einem eigenen Sicherheitsdepartement. «Denn ich bin überzeugt, dass es im Krisenfall oder in einer sehr schwierigen Situation ein Riesenvorteil wäre, wenn alles in einer Hand wäre.» Mit der heutigen Organisation sei das alles zwar nicht unmöglich, sagt die Zürcher Nationalrätin. «Aber es ist sicher komplizierter und aufwändiger.»

Fiala wäre bereit, die Idee überparteilich nochmals zu lancieren. Mit Blick auf die Risiken in Europa erwartet die GPDel möglichst schnelles Handeln und dass der Bundesrat die Mängel bis Ende Jahr behebt.

Echo der Zeit, 22.04.2022, 18 Uhr

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