- Der Bundesrat hat in der Spionage-Affäre beim Nachrichtendienst ein Strafverfahren genehmigt. Das zeigen SRF-Recherchen.
- Die Bundesanwaltschaft darf nun unter anderem wegen Verdachts auf Spionage ermitteln.
- Der Nachrichtendienst hat sensible Daten mit Privatfirmen geteilt – dabei sollen Daten auch an den russischen Geheimdienst gelangt sein.
Die Cyber-Abteilung im Nachrichtendienst des Bundes (NDB) sollte Hacker-Angriffe erkennen und abwehren. Doch dabei ging sie möglicherweise zu weit: Sie teilte sensible Informationen mit privaten Cyber-Sicherheitsfirmen – offenbar auch mit der umstrittenen russischen Firma Kaspersky.
Vor mindestens fünf Jahren schlugen zwei westliche Geheimdienste beim NDB Alarm. Sie berichteten, dass sensible Daten vom NDB über private Firmen an den russischen Geheimdienst gelangt seien. Das zeigte vor wenigen Wochen eine SRF-Recherche.
Bundesanwaltschaft sieht genügend Anhaltspunkte für Spionage-Delikte
Von der Affäre erfuhr auch die Aufsichtsbehörde über den Nachrichtendienst (AB-ND). Letztes Jahr reichte sie unter anderem wegen Verdachts auf Spionage Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft ein. Diese sah einen Anfangsverdacht als gegeben, sie sah also Anhaltspunkte für Spionage-Delikte. Deshalb legte sie den Fall dem Bundesrat vor: Für staatspolitisch derart heikle Ermittlungen nämlich braucht es grünes Licht, genauer: eine Ermächtigung durch die Landesregierung.
Die Bundesanwaltschaft bestätigt gegenüber SRF: «Das Ermächtigungsgesuch wurde aufgrund einer möglichen Verletzung des Amtsgeheimnisses, möglicher verbotener Handlungen für einen fremden Staat sowie mutmasslichen politischen Nachrichtendienst eingereicht.» Die zwei letztgenannten Straftatbestände sind klassische Spionage-Delikte. Sie können mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden.
Alleine der Vorwurf schadet der Schweiz
Sollte er ein Spionage-Verfahren im Umfeld des eigenen Nachrichtendienstes zulassen? Der Bundesrat hatte einen heiklen Entscheid zu fällen. Auch wenn die Ermittlungen formell gegen Unbekannt geführt werden: Ein Verfahren wegen Verdachts auf Spionage-Delikte auch zu Gunsten von Russland schadet dem Ruf des NDB. Doch diesen Bedenken steht das Interesse an Aufklärung gegenüber.
Der Bundesrat entschied sich für Aufklärung. Vor zwei Wochen gab er grünes Licht für ein Strafverfahren. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) schreibt: «Das EJPD hat das Gesuch der Bundesanwaltschaft dem Bundesrat vorgelegt. Dieser hat es in seiner Sitzung vom 13. Juni gutgeheissen.»
Ermittler haben bereits Beweise gesichert
Für seinen Entscheid hatte sich der Bundesrat über ein halbes Jahr Zeit genommen. Die Strafverfolger blieben in der Zwischenzeit nicht untätig: Sie habe parallel zum Ermächtigungsgesuch bereits letztes Jahr sichernde Beweis-Massnahmen getroffen, schreibt die Bundeanwaltschaft. Unbeantwortet liess sie die Frage, ob es Hausdurchsuchungen gab beim NDB oder bei früheren oder aktiven NDB-Angestellten.
Der NDB erklärt auf Anfrage: Er werde der Bundesanwaltschaft «uneingeschränkt zur Verfügung stehen». Bundesermittler ermitteln im Umfeld des bundeseigenen Nachrichtendienstes wegen Spionage – ein beispielloser Vorgang.