Was bisher als Cyber-Affäre bekannt war, bekomme nun eine ganz neue, internationale Dimension. So sagt es Balthasar Glättli, Nationalrat und Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission SiK.
Die Recherche von SRF Investigativ zeigt: Es geht um eine mögliche russische Einflussnahme im Schweizer Geheimdienst in den Jahren 2015 bis 2020. Zwei wichtige befreundete Geheimdienste drohten deswegen, die Zusammenarbeit mit der Schweiz zu beenden.
Für Glättli tut sich eine grundsätzliche Frage auf: «Wer hat in der Schweiz den Entscheid getroffen, dass man so eine Zusammenarbeit macht? Ist der Bundesrat ausgelassen worden, oder hat er das sogar mitgetragen?»
Immerhin würden die russischen Kontakte des NDB-Cyberteams von 2015 bis 2020 in einen Zeitraum fallen, als Russland bereits die Krim annektiert hatte, so Glättli. Schon damals führte Russland Cyberangriffe und Desinformationskampagnen in Europa und den USA durch.
«So verliert die Schweiz an Vertrauen»
Auch Thomas Hurter von der SVP ist Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission im Parlament. Er sagt: Grundsätzlich müsse die Schweiz mit allen zusammenarbeiten, auch mit «bad guys» wie Russland. Wichtig sei aber, wie man zusammenarbeite. Die Vorgehensweise des damaligen Cyberteams – inoffizielle Kontakte mit der umstrittenen Firma Kaspersky, auch über private Kanäle, Weitergeben von hochsensiblen Daten – berge jedoch ein hohes Risiko.
«Wenn ein Nachrichtendienst so funktioniert, dann gefährdet er auf der einen Seite das eigene Land, auf der anderen Seite können diese Daten halt auch missbraucht werden», sagt Hurter. Zudem verliere die Schweiz das Vertrauen ausländischer Nachrichtendienste.
War es Spionage?
Grünen-Politiker Glättli sagt zum mutmasslichen Informationsabfluss an russische Geheimdienste: «War es brutale Naivität? Oder ist es vielleicht sogar im Extremfall ein russischer Doppelagent gewesen, der eingeschleust wurde in den Nachrichtendienst der Schweiz? Beides lässt mich nicht mit mehr Vertrauen in den NDB zurück.»
Nationalrat Glättli fordert eine strafrechtliche Abklärung. Spionage – oder «politischer Nachrichtendienst», wie der Straftatbestand heisst – ist in der Schweiz verboten.
«Das muss man politisch aufarbeiten»
Beide Sicherheitspolitiker – Glättli und Hurter – verlangen zudem eine politische Aufarbeitung dieser Russland-Affäre.
Erst vor wenigen Wochen hat die Aufsichtsbehörde über den Geheimdienst AB-ND einen Prüfbericht zum Cyberteam veröffentlicht. Darin steht: Der NDB habe bis 2024 noch immer keine Kontrollen im Cyberteam installiert. Laut Glättli wirft das politisch brisante Folgefragen auf: «Was macht der Nachrichtendienst heute? Was machen die Leute, die auch in dem Team waren und noch immer dort arbeiten? Wie wird heute sichergestellt, dass das Team geführt und nicht mit beiden Augen weggeschaut wird?»
SVP-Nationalrat Thomas Hurter spricht von «politischer Brisanz». Die politische Aufsicht habe in diesem Fall nicht gegriffen. Jetzt – wo der NDB mit dem angekündigten Abgang von Direktor Christian Dussey sowieso einen neuen Chef suche – sei ein guter Moment, diese Affäre aufzuarbeiten und den Nachrichtendienst neu aufzustellen.