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Russland-Affäre im NDB Strafanzeige: Mutmassliche Datenweitergabe wird Fall für Justiz

  • Der Nachrichtendienst des Bundes NDB soll Daten mit Cybersicherheitsfirmen geteilt haben – auch mit der russischen Firma Kaspersky.
  • Jetzt zeigt sich: Die Aufsicht über den Nachrichtendienst hat deswegen bereits Anzeige erstattet.
  • Das stürzt den Bundesrat ins Dilemma: Er muss entscheiden, ob die Bundesanwaltschaft ermitteln darf.

AB-ND – hinter diesem sperrigen Kürzel steckt die unabhängige Aufsichtsbehörde über den Nachrichtendienst. Sie schaut dem NDB auch in der seit Jahren schwelenden Cyberaffäre auf die Finger. Kürzlich hat sie den Nachrichtendienst deutlich kritisiert: Er habe versprochene zusätzliche Kontrollen im Cyberbereich schlicht nicht umgesetzt.

Strafanzeige wegen Datenweitergabe

Jetzt zeigt sich: Die Rüge war nur die Spitze des Eisbergs. Die AB-ND ist auch an die Justiz gelangt. Sie hat vor mehreren Monaten bereits Strafanzeige eingereicht bei der Bundesanwaltschaft. Das bestätigen vier voneinander unabhängige Quellen gegenüber SRF.

Porträtbild einer Frau mit Brille.
Legende: Sie hat die Justiz eingeschaltet: Prisca Fischer, Leiterin der Aufsichtsbehörde AB-ND. Keystone

Die Aufsichtsbehörde und ihre Leiterin Prisca Fischer äussern sich nicht zu ihrer Anzeige. Auch die Bundesanwaltschaft gibt «aktuell keine Auskunft», wie sie schreibt.

Die Strafanzeige ist ein ungewöhnlicher Schritt: Normalerweise richtet die AB-ND bei Verstössen bloss «Empfehlungen» an den NDB.

Der Sicherheits- und Rechtsexperte Markus Mohler begrüsst das Vorgehen der Aufsicht. Der Schritt sei richtig, sagt der frühere Baselstädtische Polizeikommandant und Dozent:  «Es mag sehr ungewöhnlich sein. Aber es ist korrekt. Wenn eine Behörde einen möglichen strafrechtlichen Tatbestand bei einer von ihr beaufsichtigten Behörde feststellt, dann hat sie das anzuzeigen.»

Bundesrat Jans vor heiklem Entscheid

Dem Vernehmen nach befasst sich zurzeit das Justizdepartement von Bundesrat Beat Jans mit der Strafanzeige. Es muss entscheiden, ob die Bundesanwaltschaft überhaupt ein Strafverfahren einleiten darf. Diese sogenannte politische Ermächtigung ist bei politischen Delikten vorgeschrieben. Zum Schutz der Landesinteressen kann das Justizdepartement eine Strafverfolgung auch verbieten.

Der Hauptsitz des NDB in Bern
Legende: NDB-Hauptsitz in Bern: Ein Strafverfahren könnte dem ohnehin angekratzten Image des Nachrichtendienstes weiter zusetzen. Keystone / Peter Klaunzer

Es ist ein Dilemma: Einerseits könnten Ermittlungen im Umfeld des Nachrichtendienstes dem bereits angeschlagenen Ruf des NDB weiter schaden, vor allem bei wichtigen ausländischen Partnerdiensten. Andererseits besteht grundsätzlich ein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung. 

Das Justizdepartement könnte den heiklen Entscheid auch auf die politische Ebene hieven: Über Fälle von grosser Bedeutung nämlich kann auch der Gesamtbundesrat entscheiden.

HeuteMorgen, 05.06.2025, 06.00 Uhr

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