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Russland-Sanktionen Seco spürt Bagatellfälle statt dicke Fische auf

Die Schweiz steht unter internationaler Beobachtung wegen ihrer Handhabung von russischen Geldern und dem Rohstoffhandel. Bern versichert, die Verstösse würden geahndet. Doch bei genauerem Hinschauen zeigt sich ein überraschendes Bild.

Über 20 Verwaltungsstrafverfahren seien bislang eingeleitet worden wegen möglicher Verstösse im Zusammenhang mit den Russland-Sanktionen, heisst es beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco).

Nun liegen SRF die ersten beiden rechtskräftigen Strafbescheide vor. In einem Fall wollte eine Firma 1850 Kilogramm Schmiermittel nach Russland liefern, in einem anderen ging es um eine Lieferung von Pumpen und Ersatzteilen nach Belarus.

Es geht hier nur um Fälle im Güterbereich, die durch Zufall entdeckt wurden. Im Finanzbereich haben wir keine Ahnung.
Autor: Fabian Molina Nationalrat (SP/ZH)

Dass das verboten ist, das wussten beide Firmen nicht. Sie handelten fahrlässig und erhielten deshalb Bussen in der Höhe von 4500 und 2000 Franken.

Kritik am Seco wird laut

SP-Nationalrat Fabian Molina kritisiert das Seco schon lange als zu zahnlos. Jetzt fühlt er sich durch diese ersten Strafbescheide bestätigt. «Es geht hier nur um Fälle im Güterbereich, die durch Zufall entdeckt wurden. Im Finanzbereich haben wir keine Ahnung.»

Die Seco-Strafbescheide

Molina spricht von Zufall, weil der Zoll auf die Schmiermittel und die Pumpen für Russland und Belarus gestossen war. Gleich lief es in weiteren neun Fällen. Der Zoll stoppte die Lieferung von Uhrenteilen, Laborhilfsmitteln und auch eines Saxofons. Das Seco stellte in allen neun Fällen die Verfahren aber ein, weil keine Sanktionen verletzt wurden. Die Einstellungsverfügungen liegen SRF vor.

Es ging also bislang bei keinem Verfahren um gesperrte Gelder oder um Rohstoffgeschäfte, sondern um kleinere Güterlieferungen, die am Zoll hängen blieben.

Eingangsbereich des Staatssekretariat für Wirtschaft, SECO in Bern (Bild: 2014)
Legende: KEYSTONE/Peter Schneider

Nicht nur linke Parlamentarier runzeln da die Stirn, sondern auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister. «Es scheint so, dass das Seco vor allem auf Meldung des Zolls hin aktiv wird. Ich bin nicht sicher, ob die Behörden in der Schweiz wirklich nachforschen, ob der Schweizer Handels- und Finanzplatz sauber ist.

Fehlende Befugnisse und Ressourcen

Schaut das Seco zu wenig hin bei Finanzen und Rohstoffen? Die Behörde schreibt auf Anfrage: «Das Seco weist den Vorwurf zurück, es schaue zu wenig hin. Im Rahmen der geltenden Gesetze geht das Seco Hinweisen zu möglichen Verstössen konsequent nach.»

Unterstützung erhält das Seco von Andrea Caroni. Der Vizepräsident der FDP sagt, die zuständigen Parlamentskommissionen seien im ständigen Austausch mit Wirtschaftsminister Guy Pamelin. «Sie versichern uns jeweils, sie würden allen Meldungen nachgehen. Die Behördenorganisation per se scheint mir so zu funktionieren.»

Wir haben keine Detektive, wir haben keine Polizei. Ich hätte gar nicht die Kompetenz, das zu tun.
Autor: Helene Budliger Artieda Seco-Chefin

Güter kontrolliert standardmässig der Zoll. Bei Finanz- und Rohstoffgeschäften ist das nicht so. Seco-Chefin Helene Budliger Artieda erklärte jüngst in der «Samstagsrundschau» von Radio SRF, angesprochen auf das Handelsverbot für russische Kohle: «Wir müssen uns darauf verlassen, dass Firmen, die in der Schweiz sind, sich an Rechtsvorgaben in der Schweiz halten. Wir haben keine Detektive, wir haben keine Polizei. Ich hätte gar nicht die Kompetenz, das zu tun.»

Mitte-links fordert eine härtere Gangart

So gehe das nicht, kritisiert Fabian Molina. «Das heisst, es liegt an den Banken und Rohstoffhändlern selber, die Sanktionen einzuhalten. Und jetzt ist es nicht völlig abwegig zu behaupten, dass es da auch schwarze Schafe gibt.»

SP und Grüne fordern deshalb aktive Kontrollen bei Banken und bei Rohstofffirmen. Andrea Caroni äussert sich skeptisch: «Ich bin eher zurückhaltend. Man muss sich die Frage stellen: Was heisst das für andere Lebensbereiche, wo man dann auch sagen könnte: ‹Oh, wir brauchen Gesetze, damit die Behörden jederzeit in private Firmen hineinspazieren können.›»

Nach dem Fall Credit Suisse möchte ich nicht, dass es bald wieder heisst: ‹wieso haben wir das wieder nicht kontrolliert?›
Autor: Gerhard Pfister Präsident Die Mitte

Für Kontrollen ist Mitte-Präsident Gerhard Pfister. Er macht einen Vergleich mit dem Credit-Suisse-Debakel. «Wir haben jetzt gerade einen Sonntag hinter uns, an dem auch Kritik an der Aufsicht öffentlich wurde. Ich möchte vermeiden, dass es irgendwann in ein paar Monaten heisst: ‹Warum haben wir das wieder nicht kontrolliert?›»

Pfister unterstützt, wie die Linken, eine Taskforce zur Durchsetzung der Sanktionen. Voraussichtlich im Juni entscheidet der Ständerat darüber.
                

Rendez-Vous, 23.03.23, 12:30 Uhr

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