Nicola traut seinen Augen nicht, als er erfährt, dass das Amt für Raumentwicklung in Bern (ARE) sein Umbaugesuch abgelehnt hat. Denn er hatte zuvor grünes Licht bekommen, und zwar doppelt: Sowohl die Gemeinde Lavizzara als auch das zuständige Amt in Bellinzona bewilligten den Umbau des alten Steinhauses in ein Ferienhaus.
Allerdings gilt seit 2016, dass in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von mehr als 20 Prozent Bewilligungen für neue Wohnungen ausserhalb der Bauzonen dem ARE mitgeteilt werden müssen.
Entsprechend gross ist die Enttäuschung bei Nicola. Denn der Zürcher hat nicht nur Geld für den Kauf des alten Stalls in die Hand genommen, sondern bereits mit einem Architekten Ausbaupläne entworfen. Kommt hinzu, dass er zusammen mit seiner Familie bereits vor über zehn Jahren in derselben Gemeinde ein altes Rustico gekauft und zum Ferienhaus umgebaut hat. Auch dieses Haus steht ausserhalb der Bauzone. Seither aber wurden die Gesetze verschärft. So muss bei sämtlichen Umbauten und Zweckentfremdungen ausserhalb der Bauzone das ARE informiert werden.
Thomas Kappeler ist Leiter Recht beim ARE. Er nennt zwei Gründe für den Rekurs gegen den Umbau. Zum einen sei das Rustico bereits in den 1990er-Jahren als nicht schützenswert eingestuft worden, zum anderen sei auch die unmittelbare Umgebung des Hauses nicht schützenswert.
Grund sei die Kantonsstrasse, die direkt beim Rustico vorbeiführe. Da können auch der Wasserfall auf der gegenüberliegenden Talseite sowie die restaurierte historische Brücke über die Maggia unweit des Rusticos nichts ändern.
Wir Einheimischen sollten sagen können, was schützenswert ist.
Eine intakte Umgebung sowie ein schützenswertes Gebäude seien zwingende Voraussetzungen für eine Umnutzung ausserhalb der Bauzonen, begründet Raumplaner Kappeler den Entscheid. Im Kampf gegen die Zersiedelung müsse man hier streng sein, so der Jurist.
Ob dieser Argumentation schüttelt Gabriele Dazio, Gemeindepräsident von Lavizzara, nur den Kopf. Was schützenswert sei, sei doch subjektiv, meint er. «Meiner Meinung nach sollten wir Einheimischen sagen können, welche Gebiete schützenswert sind und welche nicht. Ich bin wirklich sehr enttäuscht über den Entscheid von Bern.» Diese Herren aus Bern seien wahrscheinlich noch gar nie hier gewesen und hätten weder das Rustico noch die schöne Brücke gesehen.
Der Rustico-Streit zwischen Bern und Bellinzona hat im Tessin auch die Kantonspolitiker auf den Plan gerufen. FDP-Kantonsrat Aron Piezzi kommt ebenfalls aus dem Maggiatal.
Die Vorschriften dürfen nicht so starr sein, dass niemand mehr solche Rustici renovieren will.
Er will, dass sich der Kanton Tessin in Bern dafür einsetzt, dass die Regeln ausserhalb der Bauzonen weniger streng ausgelegt werden. Dazu hat er einen entsprechenden Vorstoss eingereicht. Ähnliche Vorstösse seien auch in den Bergkantonen Wallis und Graubünden eingereicht worden. «Die Vorschriften dürfen nicht so starr sein, dass niemand mehr solche Rustici renovieren will.»
In Bern bleibt man dabei: Man müsse streng sein, sonst würde immer mehr zersiedelt. Die Beschwerde aus Bern ist nun seit über einem Jahr beim Tessiner Regierungsrat hängig. Dort will man zum aktuellen Rekurs keine Stellung nehmen, wie es auf Anfrage heisst. Thomas Kappeler ist zuversichtlich, dass der Kanton den Rekurs aus Bern gutheisst. Und wenn nicht, könnte der Entscheid beim kantonalen Verwaltungsgericht angefochten werden. Die Chancen, dass Nicola das Rustico doch noch zu einem Ferienhaus umbauen kann, sind also gering.