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Sanierung von Ortsdurchfahrten Wie eine Strassengestaltung Leute erziehen kann

Bei der Sanierung von Ortsdurchfahrten setzt der Aargau auf Gestaltungstricks, die zu einem anderen Fahrstil erziehen.

Mägenwil – eine klassische Mittelland-Agglomerationsgemeinde im Aargau. Man könnte für diesen Artikel aber genauso gut auch von Zollikofen und Ostermundigen im Kanton Bern sprechen, vom luzernischen Ebikon, von Pratteln im Kanton Basel-Land oder irgendeiner anderen Schweizer Gemeinde, die von einer viel befahrenen Hauptstrasse durchschnitten wird – im Kanton Zürich, Solothurn oder St. Gallen.

Hauptstrasse
Legende: Die Ortsdurchfahrt Mägenwil im Kanton Aargau als Beispiel, wie Durchfahrten in vielen anderen Gemeinden aussehen. SRF/Stefan Ulrich

Bei allen Unterschieden zwischen diesen Gemeinden gibt es eine Gemeinsamkeit: Die Ortsdurchfahrten sind meist nicht wirklich attraktiv für den Fuss- und Veloverkehr. Das liege daran, dass solche Strassenkorridore vor Jahrzehnten sehr einseitig für Autos geplant wurden, erklärt der Aargauer Strassenbauprojektleiter Giuliano Sabato am Beispiel Mägenwil: «Man hat sich hier nur darum gekümmert, dass es fahrdynamisch passt und hat die Gestaltung ausser Acht gelassen.» Hier hätten die Autofahrenden ihren exklusiven Raum im Blick und würden deshalb so schnell es halt geht fahren, so der Strassenexperte.

Erziehung im Strassenverkehr

Doch das muss nicht zwingend so bleiben, findet der Kanton Aargau und setzt bei aktuellen Sanierungsprojekten in der Strassengestaltung auf einen neuen Ansatz, der die Ortsdurchfahrten attraktiver für andere Verkehrsteilnehmende macht. Nämlich in Niederrohrdorf – auch eine klassische Mittelland-Agglomerationsgemeinde im Aargau.

Neu gestaltete Hauptstrasse mit breiten Trottoirs und Bäumen
Legende: Die Ortsdurchfahrt in Niederrohrdorf wurde frisch saniert – auch für Fussgänger und Velofahrerinnen. SRF/Stefan Ulrich

Im Gegensatz zum nahen Mägenwil sieht die Strasse hier aber ganz anders aus, sie wurde eben erst saniert und Mitte September eingeweiht. Auf dem Trottoir direkt an der Strasse fallen hier Gestaltungselemente wie Bäume, Sitzbänke oder ein Brunnen auf. Elemente, die den Raum entlang der Strasse zu einer Art Platz machen.

Zudem unterscheiden sich die dunkel asphaltierte Strasse und das breite Trottoir mit hellen Steinplatten deutlich in der Farbe. «Die Autofahrenden erkennen dadurch Konfliktpunkte mit Fussgängern oder Velofahrerinnen besser», sie haben keinen exklusiven Raum vor sich, erklärt Strassenbauexperte Sabato.

Daneben wendet der Kanton hier weitere «Tricks» in der Strassengestaltung an. Die Kandelaber zum Beispiel sind näher an der Strasse, zusammen mit Bäumen entlang der Strasse schränken sie die Weitsicht etwas ein – und das bewirke eine Verkehrsberuhigung.

Pioniergemeinde mit 40 Prozent weniger Unfällen

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Ortsdurchfahrt mit Tempo30 Markierung
Legende: Ortsdurchfahrt Köniz BE SRF

Vor gut 20 Jahren bereits wurde die Ortsdurchfahrt der Berner Agglomerationsgemeinde Köniz umfassend saniert und umgestaltet. Vor der Sanierung stand auch hier der Autoverkehr im Zentrum, der Raum entlang der Strasse war entsprechend unattraktiv. Im Zuge der Umgestaltung wurde im Zentrum Tempo 30 eingeführt, es entstanden breitere Trottoirs und die Fussgängerstreifen wurden entfernt, so dass sich Auto- und Fussverkehr den Strassenraum teilen.

In einer Bilanz zur Umgestaltung schreibt die Gemeinde Köniz von einem vollen Erfolg. Einerseits profitierten die Geschäfte entlang der Strasse von mehr Laufkundschaft, andererseits fuhren die täglich 18'000 Fahrzeuge dank niedrigerem Tempo flüssiger durchs Zentrum, es gab ein Drittel weniger Unfälle und 40 Prozent weniger Verletzte.

Mit diesen Erfahrungen gilt Köniz heute also Vorzeigebeispiel für gemeinsam genutzten Strassenraum, wo die Koexistenz von Auto-, Fuss- und Veloverkehr Standard ist.

Die Autofahrenden verhielten sich auf der Durchfahrt durch Niederrohrdorf anders, sagt Sabato. Zwar ist auch hier Tempo 50 erlaubt, doch die meisten Autos reduzieren aufgrund der Gestaltung die Geschwindigkeit automatisch.

Funktionale Strassen können auch schön sein.
Autor: Giuliano Sabato Strassenbauprojektleiter Kanton Aargau

Wichtig sei dabei, dass die Funktionalität der Strasse erhalten bleibe. Es gebe keine Verkehrsreduktion, betont der Strassenbauprojektleiter und fügt an: «Funktionale Strassen können auch schön sein.»

Breites Trottoir
Legende: Mit der Umgestaltung der Ortsdurchfahrt Niederrohrdorf erhielt der Fussverkehr durch breitere Trottoirs mehr Platz. SRF/Stefan Ulrich

Die neue Gestaltung der Ortsdurchfahrt in Niederrohrdorf kommt bei der Lobby des Langsamverkehrs sehr gut an. Christian Keller, der Geschäftsführer des autokritischen VCS Aargau, lobt gegenüber SRF die neue Gestaltung: «Ich bin positiv überrascht, dass der Aargau solche Fortschritte in der Strassengestaltung gemacht hat.» Hier fühle man sich als Fussgänger wohl.

Zwei Männer an der Strasse
Legende: Strassenplaner Giuliano Sabato (l.) und Fussgänger-Lobbyist Christian Keller (r.) diskutieren die Vorteile der neuen Strassengestaltung im aargauischen Niederrohrdorf. SRF/Stefan Ulrich

Dass Strassen heute nicht mehr gleich gebaut werden wie vor 30 Jahren, versteht sich von selbst. Mit neuen Ideen bei der Gestaltung wollen der Aargau und andere Kantone aber auch zeigen, dass sich die vor 30 Jahren gebauten Strassenkorridore in attraktivere Räume für alle Verkehrsteilnehmenden umbauen lassen.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 26.09.2022, 12.03 und 17:30 Uhr ; 

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