Am 30. Oktober 2024 verfasste SRF den ersten Eintrag im ESC-Liveticker: «ESC 2025 in Basel. Willkommen zu unserem Ticker zum ESC 2025 in Basel. In den nächsten Wochen erhalten Sie hier die wichtigsten News und Hintergründe rund um den Event.»
Seit über einem halben Jahr erfahren wir alle in real time alles darüber, und so können wir die Shows nicht nur sehen, sondern auch lesen – das ist Service Public! Ich frage mich: Gibt es diese mega Medienpräsenz, weil der ESC wirklich so viele Leute interessiert? Oder interessiert es so viele Leute, weil es diese mega Medienpräsenz gibt?
Auch Gehörlose haben etwas davon, teilweise sogar mehr als Sehbehinderte.
Wie auch immer: Ich habe festgestellt, dass es bei diesem Songcontest weniger ums Akustische als ums Visuelle geht. Diese Lichteffekte: bombastisch! Als wollte man von etwas ablenken… Aber das ist eben der inklusive Gedanke des ESC: Auch Gehörlose haben etwas davon, teilweise sogar mehr als Sehbehinderte. Und die Kostüme: abgefahren! Basel hat heuer zweimal Fasnacht.
Der ESC ist nicht nur von den Geschlechtern, sondern auch von den Nationalitäten her recht fluid. Für Schweden zum Beispiel treten drei Finnen an. Und das österreichische Geschwisterduo Abor & Tynna singt für Deutschland. Nun, Hitler war ja auch Österr… Stooop! Trotz aller Grenzenlosigkeit; gewisse Überschreitungen toleriert das ESC-Regelwerk nicht.
Eine multimedial aufgeblasene Reizüberflutung, buchstäblich: Schall und Rauch!
Und obwohl der ESC ja prinzipiell nicht politisch sein will, wurde Russland vor drei Jahren umgehend rausgeschmissen. Im Gegensatz zu Israel, obwohl es für manche dafür durchaus auch Gründe gäbe, aber da werden offenbar unterschiedliche Massstäbe angewendet. Übrigens: ESC-Hauptsponsor ist der Kosmetikkonzern «Moroccanoil», und der kommt aus... Israel! Ob es hier wohl einen Zusammenhang gibt?
Eurovision Song Contest, das ist exaltierte Lebensfreude, aufgesetzte Emotionen, inszenierte Einheit und überbetonte Toleranz und Diversität, ein farbenfrohes Fest von Pomp und Künstlichkeit, eine multimedial aufgeblasene Reizüberflutung, buchstäblich: Schall und Rauch! Aber: Solange die Welt so ist, wie sie ist, muss das diesjährige ESC-Motto «Unity shapes Love» eben behauptet und gespielt werden.
Jetzt wird es etwas moralisch, aber das passt ja zum ESC.
Unsere Aufgabe, geschätzte Leserinnen und Leser, liebe Damen bis Herren, werte Mitmenschen – und jetzt wird es etwas moralisch, aber das passt ja zum ESC – unsere Aufgabe ist es, ein wenig von diesem ESC-Spirit, der diese Woche in Basel in einer Überdosis zelebriert wird, dass es einem fast schlecht wird dabei; dass wir ein wenig von diesen ESC-Werten in unseren farblosen, langweiligen Alltag rüber nehmen. Denn es geht nicht darum, Einheit, Toleranz und Liebe an einem Event unter Hochdruck auszuleben, sondern Tag für Tag zu leben – einfach so, selbstverständlich, so gut wie es halt geht.
Auf dass es im ESC-Liveticker einmal heissen wird: «Ungarns Präsident Orban gratuliert queerer Liebeshymne zum Sieg» - oder: «Israel schickt israelisch-palästinensische Friedensaktivistinnen ins Rennen».
Schön wärs.