Ich war auf dem Heimweg von einer Lesung, zusammen mit meinem BüroFrölein. Wir fuhren mit dem Auto über Land, als es plötzlich anfing zu stinken. Das war nicht nur so ein Gschmäckli, das war ein ausgewachsener Gestank. Gejäset hat’s, dass es mir das Augenwasser rausgedrückt hat. «Hei, was stinkt hier so?», jappste ich. Das BüroFrölein röchelte zurück: «Göisölle!»
Ich musste lachen: «Göisölle?! Du meinst Söigölle!» Vor lauter Gestank hat es meinem BüroFrölein das Sprachzentrum gebutzt!
Wenn Gestank eine Lautstärke hätte, wäre es einfach. Dann gäbe es Grenzwerte.
So gruusig Pschötten, geht’s noch? Und das an einem Freitagabend! Beim späteren Googeln fand ich heraus, dass es bei Pschötti-Gestank keine einheitliche Regelung gibt. Das ist nicht wie beim Lärm. Wenn Gestank eine Lautstärke hätte, wäre es einfach. Dann gäbe es Grenzwerte. Aber Gestank ist nicht messbar. Obwohl das auch schon probiert wurde: Der dänische Ingenieur Ole Fanger hat 1988 einen Gradmesser für Geruch erfunden.
Mit einer eigenwilligen Formel: Eine sitzende Person, die durchschnittlich 0,7 Duschbäder pro Tag nimmt und 1,8 Quadratmeter Hautoberfläche besitzt, verströmt genau ein Olf. Und in solchen Olf-Einheiten misst der Herr Fanger Gerüche. Eine rauchende Person verströmt beispielsweise 25 Olf. Ein Athlet nach dem Sport ist bei 30 Olf. Ein rauchender Athlet wäre dementsprechend bei 55 Olf – nach dem Sport.
Die Grenze zwischen betörend und störend sind für alle an einem anderen Ort.
So ein Guguus! Das findet nicht nur die Wissenschaft, sondern auch ich. Als Beispiel eine Feldstudie von mir höchstpersönlich: Wenn es eine Dame für ihr Rendezvous mit dem Parfümieren übertreibt, dann riecht sie in ihrer eigenen Wahrnehmung zwar nach einem soliden, frisch geduschten Olf. In der Wahrnehmung der anderen Restaurant-Gäste ist sie jedoch eher im Bereich von sehr beissenden 80 Olf. Die Grenze zwischen betörend und störend sind für alle an einem anderen Ort.
Darum misst man Gerüche nicht in diesen kurrligen Olfs, sondern mithilfe der Olfaktometrie. Ausschlaggebend ist hier, wie ein Geruch bewertet wird. Dafür kommen ausgewiesene Testriecherinnen und Testriecher zum Einsatz. Aber menschliche Nasen sind halt auch eher ungenau. Ausser bei Gülle. Dass Gülle stinkt, das weiss man auch so. Die Frage ist eher: wann wird sie zur Zumutung?
Nicht am Freitagabend güllen.
Die meisten Klagen, die bei der Behörde zum «Vollzug der Luftreinhalteverordnung» eingehen, haben mit Geruchsbelästigung zu tun. Weil es aber keine genaue Skala für Gestank gibt, braucht es vor allem Toleranz. Und gesunden Menschenverstand. Wenn man Wert auf eine gute Nachbarschaft legt, gilt: nicht am Freitagabend güllen. Im Gegenzug sollten Leute mit besonders empfindlichen Nasen ihr Haus nicht unbedingt in unmittelbarer Nähe eines Schweinemastbetriebes bauen.
Einen sehr guten Tipp gibt es auch von den Kantonen: Wenn Gestank zur Belastung werde, solle man «frühzeitig und im ruhigen Gespräch eine einvernehmliche Lösung suchen». Aber äbe: Wenn es einem derewäg stinkt, dass sogar das Sprachzentrum aussteigt – dann wird’s schwierig mit dem ruhigen Gespräch.