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Schlupflöcher im System Ärzte praktizierten ohne Bewilligung

40 Ärzte haben in den letzten fünf Jahren ihre kantonale Bewilligung verloren. Doch ein Teil praktiziert weiter: Im Ausland, in einem anderen Kanton – oder gar im gleichen Kanton.

Wenn kantonale Gesundheitsbehörden das Vertrauen in einen Arzt verlieren, dann greifen sie zur härtesten Massnahme: Dem Entzug der Berufsausübungsbewilligung. Ein Arzt darf dann nicht mehr – wie es die Behörden nennen – «fachlich eigenverantwortlich» praktizieren, zum Beispiel eine eigene Praxis führen.

40 Ärzte schweizweit haben in den letzten fünf Jahren ihre Bewilligung verloren. Doch mindestens 16 haben einen Weg gefunden, weiter zu praktizieren. Das zeigt eine Recherche der «Rundschau» und SRF Data.

Bei 10 Ärzten gibt es Hinweise, dass sie im Ausland tätig sind, drei Ärzte haben sich in einem anderen Kanton niedergelassen – und weitere drei scheinen trotz des Entzugs im gleichen Kanton zu praktizieren. Letzteres wäre illegal.

Fast zwei Jahre weiter praktiziert

Einer der drei Ärzte, die im gleichen Kanton weiter praktizieren, ist ein Hautarzt in Olten. Er verlor 2017 seine Bewilligung, dennoch ist er im Dezember 2018 in seiner Praxis anzutreffen. Er bestreitet, sich dem Entzug zu widersetzen, doch er gesteht ein: «Ich habe die Telefonnummer in Olten behalten und die Patienten in die Praxis integriert, wo ich als Assistent arbeite». Der Arzt hat eine gültige Assistentenbewilligung im Kanton Zürich, wo er in der Klinik eines Freundes angestellt ist. Er gibt an, die Patienten als Angestellter behandelt zu haben.

Die Solothurner Gesundheitsbehörde sieht das anders. Sie haben in der Praxis eine Inspektion durchgeführt und «belastendes Material» gefunden: Unter anderem aktuelle Krankenkassenabrechnungen, die auf seine Zulassungsnummer lauten. Heute ist die Praxis per Verfügung geschlossen.

Ehemann stellte Rezepte aus

Ein weiteres Beispiel: Einer Berner Gynäkologin entzogen die Behörden die Bewilligung 2017. Die «Rundschau» sprach jedoch mit mehreren Patientinnen, die bei ihr nach dem Bewilligungsentzug in Behandlung waren oder Rezepte erhielten. Ausserdem war sie noch bis März 2018 in einem Spital der Hirslandengruppe als Belegärztin tätig. Dort war die Intervention der Behörden monatelang nicht bekannt.

Der Ehemann der Frauenärztin arbeitete als Hausarzt. Auf Anfrage räumt er ein, er habe für seine Frau die Rezepte unterzeichnet und ausgestellt. Diese habe weiterhin langjährige Patientinnen betreut, zu welchen ein Vertrauensverhältnis bestehe. Seine Frau habe sie beraten und untersucht. Der Entzug der Bewilligung sei «nur aus formellen Gründen geschehen und nicht zulässig», erklärt der Ehemann der Ärztin.

Die Ärztin versucht derzeit noch auf juristischem Weg, ihre Bewilligung zurückzubekommen. Bisher ohne Erfolg. Ihre letzte Chance wäre das Bundesgericht.

Die Berner Kantonsärztin Linda Nartey sagt gegenüber der «Rundschau»: «Wir werden den Hinweisen nachgehen.» Der Ehemann dürfe als Arzt in der Regel nur die Verantwortung übernehmen, wenn er die gleiche medizinische Fachrichtung habe, also Gynäkologe sei.

Patientenverband fordert Kontrollen

Der Dachverband der Schweizerischen Patientenstellen ist beunruhigt. «Wenn ein solcher weiter praktiziert, dann kommen unter Umständen Patienten zu Schaden», sagt Verbands-Präsidentin Erika Ziltener. Sie fordert, dass Behörden systematischer kontrollieren, ob sich die Ärzte an den Bewilligungsentzug halten.

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