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«Ein möglicher Schritt mit einem gewissen Risiko»
Aus Echo der Zeit vom 17.02.2021. Bild: Keystone
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Schrittweise Öffnung Sind wir im Blindflug unterwegs, Bundesrat Berset?

Der Druck auf den Bundesrat war gross. Die eine Seite verlangte eine rasche Öffnung, die andere warnte eindringlich vor einer dritten Welle. Nun schlägt der Bundesrat eine schrittweise Öffnung vor.

Alain Berset

Alain Berset

Bundespräsident

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Alain Berset ist seit 2012 Bundesrat und Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI). Für das Jahr 2023 ist Berset zudem Bundespräsident. Er wurde 1972 geboren, studierte an der Universität Neuenburg Politik- und Wirtschaftswissenschaften, die er 2005 mit dem Doktorat abschloss. Der Sozialdemokrat war für den Kanton Freiburg im Ständerat und übte dort 2008 und 2009 das Amt des Ständeratspräsidenten aus. Neben seinem politischen Mandat präsidierte Berset den Westschweizer Mieterinnen- und Mieterverband und die Schweizerische Vereinigung zur Förderung der AOC/IGP.

Ende 2023 wird Alain Berset nicht mehr als Bundesrat kandidieren.

SRF News: Ist das nun der gut schweizerische Kompromiss?

Alain Berset: Ja, ich glaube, wir müssen wieder leben können. Wir wollen wieder mehr soziale Kontakte und arbeiten können. Wir müssen das aber vorsichtig tun. Die Entwicklung ist im Moment zwar gut, aber es bleibt nicht so stabil. Dieser Schritt ist eine Risikoabwägung und wir gehen damit einige Risiken ein. Deshalb die Botschaft an die ganze Bevölkerung: Es wird nur funktionieren, wenn wirklich alle auch mitmachen. Abstand, Maske und Hand-Hygiene bleiben zentral, um sich nicht anzustecken.

Dieser Schritt ist eine Risikoabwägung und wir gehen damit einige Risiken ein.
Autor: Alain BersetGesundheitsminister

Epidemiologen sagen, dass klare Aussagen und Perspektiven wegen der Virus-Varianten momentan nicht möglich seien. Musste der Bundesrat in einer Phase des Blindflugs entscheiden?

Die Arbeit für die Regierung ist in dieser Situation immer sehr schwierig. Wir wägen seit einem Jahr immer wieder ab, auch wenn es fast unmöglich ist. Wir müssen schauen, was wir machen können und der Bevölkerung auch eine Perspektive anbieten. Aber auch mit der klaren Aussage: Wir wissen nicht genau, was auf uns noch weiter zukommt.

Wir wissen nicht genau, was auf uns noch weiter zukommt.
Autor: Alain BersetGesundheitsminister

Wir wagen es aber, einen Schritt zu tun, mit dem Appell an die Bevölkerung, in den nächsten Zeiten noch vermehrt aufzupassen. Ziel ist es, eine dritte Welle, die wir nicht mehr im Griff haben, zu verhindern.

Warum wählt man nicht einen anderen Weg? Etwa, indem man lockert, um dann den Schritt mit einer grösseren Kontrolle zu kompensieren? Mit mehr Contact Tracing, Massentests und Tests für zu Hause. Wäre das nicht ein pragmatischer Schweizer Weg?

Es gibt kein Wundermittel für die Bekämpfung einer Pandemie. Es ist aber absolut richtig, dass die genannten Mittel mehr zum Einsatz kommen müssen. Deshalb hat der Bundesrat auch die Kriterien für die Umsetzung von Schnelltests schon im Dezember stark gelockert ab dem Moment, wo es genug Tests gab, um das machen zu können.

Bundesrat Alain Berset.
Legende: Bundesrat Alain Berset erläutert neben Bundesratspräsident Guy Parmelin die neusten Massnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie. Keystone

Um positive Anreize zu schaffen, haben wir im Januar entschieden, dass sämtliche Kosten für Tests vom Bund übernommen werden – für die Kantone, die ein Konzept vorlegen. Jetzt brauchen wir aber ein sehr starkes Engagement auf dem Terrain. Es ist schon fast ein Appell an die Kantone und vor allem an die Altersheime und Schulen, sich zu organisieren, um viel mehr testen zu können.

Was, wenn sich die Kantone nicht an Ihren Appell halten?

Der Bundesrat hat keine gesetzliche Grundlage, um das zu erzwingen. Wir müssen zusammen eine Lösung finden. Es wird übrigens immer einfacher. Mit den Schnelltests wurde schon ein guter Schritt gemacht. Und wir hoffen, dass wir bald auch Selbsttests machen können ohne gesundheitliche Ausbildung.

Der Bundesrat hat nun Richtwerte für weitere Öffnungsschritte definiert: Positivitätsrate, Auslastung der Intensivplätze und R-Wert. Erhält die Schweiz nun ein Ampelsystem?

In dem Sinn nicht, denn es gibt keinen Automatismus. Es ist wichtig, dass der Bundesrat immer wieder aufgrund der Situation entscheiden kann. Nicht nur in Bezug auf die Epidemie, sondern auch, wie es Land, Leuten und Betrieben geht. Das muss immer in der Synthese betrachtet werden, bevor man entscheidet. Klar wollen wir keinen Blindflug und klar brauchen wir sehr viele Kriterien, um diese sehr komplexe Entwicklung am besten verstehen zu können. Die Kriterien sind übrigens bekannt und begleiten uns seit einem Jahr.

Momentan sind alle Richtwerte erfüllt. Die Lage könnte eigentlich bleiben, wie sie ist, wenn in einem Monat Öffnungsschritte beschlossen werden. Besteht da nicht die Gefahr, dass wie im letzten Sommer auf zu hohem Niveau geöffnet wird und eine dritte Welle kommt?

Letztes Jahr haben wir nicht auf zu hohem Niveau geöffnet, sondern auf ganz tiefem. Das Risiko besteht, dass wir vielleicht ein bisschen früher öffnen als damals, aber die Situation ist auch nicht mehr vergleichbar. Es gibt jetzt eine Impfung, die man anbieten kann. Sogar zwei Produkte. Und wir sind in einer sehr guten Position, weil wir mit den zwei besten und schnellsten Produkten schon sehr gut aufgestellt sind. Das ist eine sehr gute Situation, die uns vielleicht erlaubt, anders umzugehen mit dieser Entwicklung.

Wir sind in einer sehr guten Position, weil wir mit den zwei besten und schnellsten Produkten schon sehr gut aufgestellt sind.
Autor: Alain BersetGesundheitsminister

Nicht zu vergessen: Wir wollen auch wieder leben können, öffnen und die Perspektiven im Rahmen der Pandemie transparent aufzeigen. Wir müssen damit umgehen können. Wir glauben, dass es jetzt wirklich möglich ist, den Schritt zu tun und ein gewisses Risiko einzugehen. Mit der klaren Botschaft: Wenn alle wirklich mitmachen, sollte es gehen.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Echo der Zeit, 17.02.2021, 18:00 Uhr;

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