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Urs Kiener über den Leistungsdruck von Kindern
Aus HeuteMorgen vom 31.07.2018.
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Schule in den Sommerferien «Eltern realisieren nicht, dass ihre Kinder unter Druck stehen»

Immer mehr Kinder besuchen während den Schulferien Nachhilfekurse. Der Markt mit solchen Angeboten wächst – ein Trend, der Fragen aufwirft. Urs Kiener, Psychologe bei Pro Juventute, ist solchen Lernangeboten gegenüber skeptisch eingestellt.

Urs Kiener

Urs Kiener

Jugendpsychologe

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Urs Kiener ist Kinder- und Jugendpsychologe bei der Stiftung Pro Juventute.

SRF News: Woher kommt Ihre Skepsis?

Urs Kiener: Ein Element dieser Angebote ist, dass sie in aller Regel von den Eltern verordnet werden. Gleich wie Nachhilfeunterricht während der Schulzeit. Das sind nicht freie Entscheide der Kinder, sondern die Eltern bestimmen ganz stark den Schulweg der Kinder. Eltern wollen das Beste für die Kinder – und das Beste ist in den Augen der Eltern, Wissen und Kompetenzen mitzugeben. Da beachtet man oft die Leistungsgrenzen der Kinder zu wenig.

Was sind die Gründe hierfür?

Viele Eltern haben selbst erlebt, dass man nicht einen Beruf lernen und dann ein Leben lang fortführen kann. Man fragt sich deshalb automatisch: Wenn mein Kind heute einen Beruf erlernt, gibt es diesen Beruf noch in fünf Jahren? Das weiss man nicht, so will man dem Kind möglichst viel Wissen mitgeben. Ein anderer Grund ist, dass die Eltern oft nicht realisieren, dass das Kind unter Druck steht. Kinder kommunizieren das nicht direkt, sondern oft nonverbal – und die Eltern realisieren nicht, dass es ein Zeichen von Stress ist.

Ein Kinder grübelt
Legende: Wer zu Hause Ehrgeiz vorlebt, gibt ihn auch an sein Kind weiter. Keystone

Kinder in diesen Kursen haben gesagt, sie seien froh, dabei zu sein – und hätten nun keine Angst mehr vor dem Schulanfang. Ist das eine plausible Aussage?

Ja selbstverständlich. Es gibt eine Studie in der Schweiz, die zum Schluss gekommen ist, dass sich etwa 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen in der Schweiz gestresst fühlen.

Etwa 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen in der Schweiz fühlen sich gestresst.

Woher kommt dieser Stress?

Ein ganz wichtiger Punkt ist die Zeitnot. Der zweite wichtige Grund ist der eigene Ehrgeiz. Kinder sind heute unglaublich ehrgeizig, die meisten Kinder wollen gut sein in der Schule. Das heisst: Es ist ein innerer Druck der Kinder selbst.

Und woher kommt dieser innere Druck?

Das sind sehr oft Imitationen vom Verhalten der Eltern. Wenn in einer Familie Ehrgeiz und berufliches Fortkommen ein ständiges Thema ist, dann bekommen das die Kinder mit und sie imitieren dieses Verhalten.

Ein Kind presst seine Hände gegen sein Gesicht
Legende: Vielen Kindern fehlt die Zeit, in der sie mal nichts tun können. Keystone

Was würden Sie einer Mutter raten, die zu Ihnen in die Sprechstunde kommt und sagt, ihr Sohn sei ein recht mittelmässiger Schüler, quasi immer auf Probe?

Ich rate ihr – das kann man ohne psychologische Hilfe machen – einen Plan aufzustellen, was das Kind in einer normalen Woche eigentlich alles leistet; an Schule, an Hausaufgaben, an strukturierten Freizeitangeboten. Dann realisiert man, ob das Kind überhaupt noch selbstbestimmte Zeit hat, wo es sich erholen und mal nichts tun kann.

Was ist also zu tun, wenn diese Zeit fehlt?

Es gehört auch zu der Erziehungspflicht von Eltern, beispielsweise gerade im Bereich der strukturierten Angebote zu reduzieren. Kinder wollen immer alles; zwei Instrumente, in drei Sportvereinen sein, Pony reiten und so weiter. Es gehört zu den Pflichten von Eltern zu sagen: «Drei Angebote sind genug, du brauchst noch Zeit, um dich zu erholen. Du brauchst Zeit, um einfach nichts zu tun oder um dich ohne Plan selbstbestimmt mit deinen Freundinnen und Freunden bewegen zu können.»

Kinder wollen immer alles; zwei Instrumente, in drei Sportvereinen sein, Pony reiten und so weiter.

Blick in die Zukunft: Wird in zehn Jahren ein Grossteil der Kinder irgendwelche schulische Angebote während den Ferien wahrnehmen?

Das ist eine schwierige Frage, die Nachhilfeangebote sind ein Markt. Und wenn sie nachgefragt werden, werden sie verkauft.

Das Gespräch führte Karoline Thürkauf.

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