Es kommt nicht oft vor, aber immer wieder: Polizisten schiessen während eines Einsatzes mit scharfer Munition, Menschen kommen dabei ums Leben. Am Dienstag findet in St. Gallen der Prozess gegen zwei Polizisten der Stadtpolizei statt, die vor gut einem Jahr – ebenfalls während eines Einsatzes – einen Mann erschossen haben. Der Mann war gerade dabei, mit einer Metallpfanne auf eine Frau einzuschlagen. Auch die Frau erlag wenige Stunden später ihren schweren Verletzungen.
Nun müssen sich die Polizisten vor dem Kreisgericht St. Gallen wegen versuchter Tötung und mehrfacher schwerer Körperverletzung verantworten. Es stellt sich die Frage: War der Einsatz der Dienstwaffe verhältnismässig? Oder hätte es ein milderes Mittel gegeben?
Vor diesem Hintergrund rückt ein Gerät in den Fokus: der Taser. Dabei handelt es sich um eine Elektroschockwaffe, die das Gegenüber mit einem Stromstoss kurze Zeit ausser Gefecht setzt. Auch Taser sind umstritten, gelten aber im Vergleich zur Schusswaffe als weitaus milderes Mittel, da sie in der Regel nicht tödlich sind. Der Verband Schweizerischer Polizeibeamter, also die Gewerkschaft der Polizistinnen und Polizisten, fordert daher, dass jede Polizeipatrouille künftig mit einem Taser bewaffnet wird.
Forderungen nach Taser-Obligatorium werden immer lauter
Der jüngste tödliche Einsatz einer Dienstwaffe liegt nur ein paar Monate zurück. Im August fühlte sich in Morges (VD) ein Polizist von einem Mann derart bedroht, dass er dreimal auf ihn schoss. Der Mann verstarb noch vor Ort. Jetzt sagt Johanna Bundi Ryser, Präsidentin des Verbands Schweizerischer Polizeibeamter: «Wir sehen keinen Grund, wieso man die Patrouillen nicht sofort mit Tasern ausrüstet. Damit sie das mildeste Mittel einsetzen können, wenn sie in eine gefährliche Situation geraten.»
Der Taser kann nicht nur mich, sondern auch mein Gegenüber schützen.
Dieser Ansicht ist auch der St. Galler Sicherheitsdirektor Fredy Fässler. Der Präsident der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) will, dass Taser obligatorisch werden: «Wenn schon die Pistole obligatorisch ist, wieso soll dann nicht auch das mildere Einsatzmittel obligatorisch werden?» Die Befürchtungen, die man am Anfang gegenüber den Tasern gehabt habe, nämlich dass der Taser als Folterinstrument eingesetzt werden könnte, hätten sich nicht bewahrheitet. Man sehe das allenfalls in den USA, wo oft schlecht ausgebildete Polizistinnen und Polizisten im Einsatz stünden. «Bei uns ist das allerdings ausgeschlossen.»
Ausbildung ist Pflicht
Selbst die Polizisten und Polizistinnen, die bereits heute einen Taser benutzen, sind froh über das zusätzliche Einsatzmittel. So etwa der St. Galler Kantonspolizist Louis Martin. Er hat vor drei Jahren die freiwillige Taser-Ausbildung absolviert, die für den Taser-Einsatz Pflicht ist. «Ich habe mit dem Taser ein Einsatzmittel erhalten, das nicht nur mich komplett schützen kann, sondern auch mein Gegenüber, sollte das in einer aussergewöhnlichen Situation einmal nötig werden.»
Wenn schon die Pistole obligatorisch ist, wieso soll nicht auch das mildere Einsatzmittel obligatorisch werden?
Obwohl die Polizei den Taser gegenüber der Schusswaffe vermehrt bevorzugt: Weshalb ist das Obligatorium nicht schon längst Tatsache? Bruno Zanga, Kommandant der Kantonspolizei St. Gallen, dämpft die Euphorie. Gerade die älteren Einsatzkräfte zögerten manchmal, wenn es um den Einsatz von Tasern gehe. «Man muss eine Bereitschaft mitbringen, den Taser zu gebrauchen. Und man muss sich auch auf die Ausbildung einlassen, sonst gefährdet man sich selbst und die Mitarbeiter», sagt Zanga.