Wie so viele Geschichten beginnt auch diese mit den Verträgen zwischen der Schweiz und der EU. Sie führen dazu, dass Ärzte aus Lateinamerika, Asien und Afrika in der Schweiz arbeiten dürfen – egal, wie gut sie ausgebildet sind. Immer dann, wenn ein EU-Land die Arztdiplome eines Landes ausserhalb Europas anerkennt, etwa wenn Spanien Ärzte aus Honduras zulässt, muss die Schweiz automatisch mitziehen. Die aussereuropäischen Ärzte dürfen dann auch hier arbeiten.
Kritische Voten von vielen Seiten
Diese Praxis stösst bei verschiedenen Seiten auf Kritik. «Wir müssen damit rechnen, dass ein Qualitätsgefälle bestehen könnte», mahnt Werner Bauer von der Ärztevereinigung FMH. Christina Kuhn von der Mebeko, der Kommission des Bundes, die zuständig ist für die Überprüfung von Arztdiplomen, sieht gewisse Probleme bei der Sprache: «Wir haben keine Kontrolle über die Sprachkenntnisse dieser Kandidaten und wissen nicht, wie die Ausbildung durchgeführt wurde.» Und Patientenschützerin Margrit Kessler gibt zu bedenken, dass ausländische Ärzte zum Teil die modernen Geräte in Schweizer Spitälern nicht kennen würden.
Alle drei sind sich einig: Es kann für die Patienten ein Problem sein, wenn der Arzt aus einem Land kommt, in welchem die Ausbildung schlechter ist als in der Schweiz und in der EU.
900 Diplome in 14 Jahren
Ist es auch in der Praxis ein Problem? Seit 2002 hat die Schweiz über 900 Diplome von Ärzten indirekt, eben auf dem Umweg über ein EU-Land, anerkannt – eine Minderheit, aber eine grosse. Viele dieser Mediziner kommen aus Ländern, in denen das Medizinstudium hochwertig ist, viele haben auch bereits in der EU gearbeitet. Viele kommen aber auch aus Ländern, in denen die Qualität des Studiums zweifelhaft ist. Und es ist unklar, wie viel praktische Erfahrung sie haben.
«Es gibt Lehrgänge, die theoretischer sind. Solche Ärzte habe von ihren Operationsfertigkeiten nicht das Niveau, welches wir uns wünschen», sagt Werner Bauer von der FMH. Wenigstens arbeiteten die allermeisten Nicht-EU-Ärzte im Spital unter Aufsicht, nur die allerwenigsten eröffneten gleich eine eigene Praxis in der Schweiz.
Todesfall wegen mangeldner Sprachkenntnisse
Das beruhigt Patientenschützerin Kessler kaum. Sie hält vor allem mangelhafte Sprachkenntnisse in Verbindung mit einer schlechteren Ausbildung für problematisch, egal ob im Spital oder in der Arztpraxis. In Grossbritannien habe es deswegen viele Todesfälle gegeben – und auch in der Schweiz seien Patienten gefährdet. «Ich hatte selber mit so einem Todesfall zu tun. Weil der Arzt den Patienten nicht verstanden hat, hat er eine schwere Sepsis gehabt und ist dann verstorben», schildert Kessler.
Zumindest in Sachen Sprache würde das neue Medizinalberufegesetz Abhilfe schaffen. Dort steht, dass Ärzte einer Landessprache mächtig sein müssen, damit sie in der Schweiz arbeiten dürfen. Allerdings tritt dieses Gesetz wohl erst 2018 in Kraft und es ist unklar, ob die Sprachkenntnisse der Ärzte überhaupt kontrolliert werden.
Handfestere Mittel seien indes nicht in Reichweite, sagt Christina Kuhn von der Mebeko: «Deswegen hoffe ich, dass jeder, der eine indirekte Anerkennung hat, zunächst einige Jahre in einem Schweizer Krankenhaus arbeitet und so das fehlende Wissen nachholen kann.» Wollte die Schweiz stärker kontrollieren, welche Ärzte ins Land kommen, müsste sie die entsprechenden Verträge mit der EU neu aushandeln. Und dazu ist die EU wohl kaum bereit.