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Schweiz Avenir Suisse will höhere Hürden für Volksinitiativen

Immer mehr Volksinitiativen wurden in den letzten Jahren angenommen. Allerdings wird kaum mehr eine Initiative gemäss dem Wunsch ihrer Urheber umgesetzt. Vielmehr würden sie als Wahlkampfinstrument missbraucht, moniert Avenir Suisse. Sie schlägt deshalb Reformen vor.

Die liberale Denkfabrik Avenir Suisse fordert eine Reform der Volksinitiative: Die Hürden müssten erhöht werden, damit Vorlagen auch wieder umgesetzt und somit verbindlich würden.

Reformvorschläge Avenir Suisse

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  • Erhöhung der Unterschriftenzahl für Volksabstimmungen von 100'000 auf 210'000
  • Gültigkeitsprüfung durch Bundeskanzlei statt Parlament
  • Einführung der Gesetzesinitiative auf Bundesebene
  • Obligatorisches Referendum für Ausführungs- gesetzgebungen
  • Nur eine Volksinitiative pro Abstimmungssonntag, höchstens 38 Initiativen pro Jahrzehnt

Man wolle die direkte Demokratie keineswegs einschränken, betonte Avenir-Suisse-Direktor Gerhard Schwarz vor den Medien. Doch die Initiative sei nicht mehr, was sie einmal gewesen sei. Aus dem «Garant für Stabilität» wurde seiner Ansicht nach ein Wahlkampf- und Werbeinstrument für Parteien und Splittergruppen.

Kaum so umgesetzt wie vorgesehen

Die direkte Demokratie sei zwar ein Erfolgsfaktor der Schweiz. «Aber auch Erfolgsfaktoren muss man gelegentlich überprüfen.» Dass mit dem einstigen Garant für Stabilität etwas nicht stimmt, erkennt Schwarz nicht zuletzt an Reaktionen aus dem Ausland. Die Schweiz gelte heute als instabil, weil immer drastischere Vorlagen vors Volk kämen und diese dann auch noch angenommen würden.

Kaum eine Volksinitiative werde aber so umgesetzt, wie von den Initianten vorgesehen. Die Folge seien verärgerte Bürger und noch radikalere Vorlagen.

Um der Volksinitiative wieder zu Bedeutung und Verbindlichkeit zu verhelfen, fordert Avenir Suisse deshalb eine striktere Anwendung der bisherigen Ungültigkeitsgründe. Die Bundeskanzlei soll Vorlagen vor der Unterschriftensammlung nicht nur nach formalen Kriterien prüfen, sondern auch nach inhaltlichen.

Besonders die Einheit der Materie sei in der Vergangenheit sehr grosszügig gehandhabt worden, etwa bei der Ecopop-Initiative, die Wirtschaft mit Empfängnisverhütung vermengt habe.

Gesetzesinitiative auch auf Bundesebene

Weiter fordert Avenir Suisse eine höhere Unterschriftenhürde: Nach Ansicht der Denkfabrik sollen für eine Verfassungsinitiative neu 210'000 Unterschriften nötig sein. Heute sind es 100'000. Es reichen also 1,9 Prozent der Stimmberechtigten, um eine Initiative zustande zu bringen. Die 210'000 Unterschriften würden 4 Prozent entsprechen.

Die Unterschriftenzahl sei seit der Einführung des Frauenstimmrechts im Jahr 1978 nicht mehr angepasst worden – obwohl die Bevölkerung seither zugenommen habe, begründet Avenir Suisse diesen Vorschlag.

Dass dies vor allem grossen und gut organisierten Gruppierungen und Parteien helfen würde, kann Avenir Suisse nicht ganz verneinen.

Um diesen eventuellen Nachteil auszugleichen, fordert die Denkfabrik deshalb die Einführung der Gesetzesinitiative auf Bundesebene. In den Kantonen gibt es diese bereits.

Mit der Gesetzesinitiative soll gemäss Avenir Suisse das Bundesgesetz direkt geändert werden. Würden National- und Ständerat dem Vorstoss zustimmen, ist eine Volksabstimmung überflüssig. Für dieses neue Volksrecht würde die Denkfabrik eine tiefere Hürde von 2 Prozent der Stimmberechtigten befürworten. Für das Jahr 2016 würde dies eine Unterschriftenzahl von 105'600 bedeuten.

Weiter fordert Avenir Suisse das obligatorische Referendum für Ausführungsgesetzgebungen. Das Volk soll damit bei einer Initiative nicht nur das erste, sondern auch das letzte Wort haben. Im Fall der Zweitwohnungs-Initiative beispielsweise, die schlussendlich anders umgesetzt werden wird, als ursprünglich vorgesehen, müsste also das Volk erneut abstimmen.

Taktische Spielereien bei der Umsetzung würden so verhindert und die Umsetzung würde demokratisch legitimiert. Pro Abstimmungssonntag soll zudem nicht über mehr als eine Volksinitiative abgestimmt werden. Die heutige Vorlagenflut erschwere eine seriöse Debatte und beeinflusse die Qualität der Entscheide.

Kritische Reaktionen auf die Reformvorschläge

Die Ideen zur Reform der Volksinitiative hat Avenir-Suisse-Direktor Schwarz bereits vor der heutigen Veröffentlichung verschiedenen Parteien präsentiert. Am Meisten Kritik habe es dabei von der SP und der SVP gegeben. «Eigentlich ist das absurd», sagt Schwarz, «denn genau die beiden Parteien hätten wohl am wenigsten Probleme, die höheren Hürden zu schaffen.»

Handlungsbedarf bestehe allerdings tatsächlich, meint SRF-Bundeshauskorrespondent Hanspeter Trütsch. Am ehesten glaubt er, dass der Vorschlag der Vorprüfung durch die Bundeskanzlei umgesetzt werden könnte. Alle anderen Ideen «kann man vergessen».

Weniger drastisch äussert sich Politologe Andreas Ladner von der Universität Lausanne. Die Vorschläge seien aber bei weitem nicht alle neu. So sei über die Unterschriftenzahlen bereits früher diskutiert worden, über die Gesetzesinitiative habe man gar schon abgestimmt.

Die übrigen Vorschläge seien zwar in der Tat neuer, jedoch wisse wohl selbst Avenir Suisse noch nicht, wie diese konkret umzusetzen wären, sagte Ladner gegenüber der «Tagesschau». Insofern ginge es jetzt darum, die Vorschläge zu diskutieren. Eine solche Auseinandersetzung mit der direkten Demokratie und ihrer Verbesserung sei denn auch das Positive am Vorstoss von Avenir Suisse.

Angenommene Initiativen seit 1893

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