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Eine Hand mit einer Pille darin.
Legende: In einer Berner Apotheke erhalten Asylbewerber die rettenden Kapseln zum Selbstkostenpreis. Reuters

Schweiz Berner Kapseln gegen die Krätze

Die Krätze ist eine höchst unangenehme Hautkrankheit. Ausgelöst wird sie von Milben. Dagegen gäbe es ein wirksames Medikament, doch in der Schweiz ist es nicht auf dem Markt. Nun haben Ärzte und Behörden alternative Lösungen gefunden – auch mit Hilfe einer Berner Apothekerin.

Die Apothekerin Caterina Riva ist eine engagierte, quirlige Frau. Einst besuchte sie eine Schauspielschule, spielte Theater – als Apothekerin hat sie mittlerweile über 40 Berufsjahre auf dem Rücken. Die Flüchtlingskrise beschäftigt sie. Sie empfinde Ohnmacht angesichts des grossen Elends, sagt sie, auch Hilflosigkeit.

Hilflos – aber nicht, wenn Asylbewerber in der Schweiz unter der Krätze leiden. «Ich wollte etwas tun, das den Flüchtlingen vielleicht hilft», so Riva. «Wir können ja selber Kapseln gegen die Hautkrankheit machen», habe sie sich gedacht. Denn laut Heilmittelgesetz ist sie berechtigt, solche Kapseln selber herzustellen. «Wir können ihnen diese ganz billig verkaufen, so dass die Kasse nicht zu sehr belastet wird.»

Zweimal vier Kapseln pro Person reichen

Die Apothekerin tut, was erlaubt ist, aber keinen Gewinn bringt. Sie kauft die nötige Substanz und fertigt daraus selber Kapseln – sie pflegt hier also gewissermassen ein einstiges Kerngeschäft von Apotheken. Das Medikament gibt Riva in ihrer Apotheke in Bern gegen Rezept an Einzelpersonen ab. «Wir geben nur genau die Menge ab, die ein Mensch braucht, das sind meistens vier Kapseln.»

In acht bis zehn Tagen werde die Behandlung wiederholt, erklärt Riva. «So braucht man nicht viel von der Substanz und es ist auch günstig.»

Flüchtlinge stecken sich unterwegs an

Die Krätze ist weitverbreitet in Asylzentren: Die extrem juckende Krankheit ist ansteckend. Milben lösen sie aus. Asylsuchende stecken sich oft auf ihrer langen, beschwerlichen Reise damit an. «Die Krätze ist ein Dauerbrenner in den Asylzentren», sagt Christian Lanz, Vizepräsident der Vereinigung der Kantonsärzte Schweiz. «Die Bekämpfung wird erschwert durch ständige Zuzüge und Abgänge.»

Die Symptome der Krätze lassen sich mit Rivas Kapseln bekämpfen – wobei die Berner Apothekerin nur für den Kanton Bern produziert. Doch auch die anderen betroffenen Kantone hätten mittlerweile Lösungen gefunden, sagt Daniel Koch.

Er leitet die Abteilung übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). «Die Kantone haben ihre eigenen Beschaffungswege eröffnet. Im Moment haben wir keine Kenntnis davon, dass es irgendwo brennen würde.»

Kantone setzen auf verschiedene Quellen

So importiert in einzelnen Kantonen eine Spitalapotheke das Medikament, in anderen bestellt es der zuständige Arzt des Asylzentrums direkt beim zuständigen Pharmalieferanten. Daneben denken Bund und Kantone derzeit auch noch über eine zentrale Beschaffung durch den Bund nach. «Wenn nötig werden wir das mit der Armeeapotheke anschauen», sagt Koch. Vorstellbar sei, dass sie das Medikament importiert und es anschliessend den Kantonen zur Verfügung stellen kann.

Doch ob nun die Armeeapotheke, eine Spitalapotheke oder Ärzte selber bestellen – ein Nachteil bleibt: Bis das Medikament gegen den extremen Juckreiz geliefert ist, dauert es oft Tage, manchmal Wochen. Caterina Riva mit ihrer Eigenproduktion hingegen kann schnell reagieren – und das sei auch nötig, sagt sie: Es brenne buchstäblich. «Jetzt gibt es gerade ganz viele, die es bei uns beziehen.»

2000 Kapseln hat sie alleine im letzten Jahr abgegeben, zum Selbstkostenpreis. Der Flüchtlingskrise muss sie weiter ohnmächtig zusehen. Aber im Kleinen hat sie etwas getan: Ihre Kapseln machen der Krätze in Berner Asylzentren den Garaus.

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