Antonio Simona leitet das Asylzentrum in Chiasso. Seine Botschaft lautet: Alles im Griff. Die Lage sei zwar immer unter Kontrolle, aber schwierig gewesen, sagt er. Der eine oder andere habe auf einer Matratze am Boden übernachten müssen. Die Situation im Empfangszentrum sei aber niemals aus dem Ruder gelaufen.
Über 300 Asylsuchende allein am Wochenende
Am Wochenende sind mehr als 300 Asylsuchende im Empfangszentrum Chiasso eingetroffen. Die meisten sind eritreische Staatsbürger, viele Familien mit Kindern hat es darunter, auch zahlreiche alleinstehende Frauen mit Kindern.
Simona sieht die verschärften Grenzkontrollen in Frankreich und Österreich sowie die Massnahmen der Polizei am Mailänder Hauptbahnhof Milano Centrale als Grund für die steigende Zahl der Asylgesuche in der Schweiz. Diese Situation führte zu Engpässen in den Asylstrukturen, vor allem in Chiasso.
Keine Gefährdung der Gesundheit
Die SVP fordert die Einführung von Notrecht. Der Tessiner SVP-Nationalrat Pierre Rusconi warnt in einer Anfrage an den Bundesrat, dass Asylsuchende mit Krätze und Tuberkulose Einheimische anstecken würden.
Antonio Simonas Antwort ist dezidiert: Es gebe keinerlei Gefährdung der Gesundheit. Es gebe drei oder vier Patienten mit Krätze, alle Kranken würden behandelt.
In der Region IV des Grenzwachtkorps, in der Chiasso liegt, wurden dieses Jahr bis im Mai 3150 «rechtswidrige Aufenthalter» registriert. Dies seien 45 Prozent aller an Schweizer Grenzen festgestellten Fälle, sagte der Sprecher der Eidgenössischen Zollverwaltung Attila Lardori auf Anfrage.
Allein in den ersten beiden Juni-Wochen seien an den Tessiner Grenzübergängen 610 Personen registriert worden, darunter 420 eritreische Staatsbürger. 70 bis 80 Prozent der in der vergangenen Woche festgestellten Personen hätten ein Asylgesuch gestellt, sagte Lardori.
Kurzfristige Bereitstellungen
Das SEM stellte deshalb in Zusammenarbeit mit den kantonalen und kommunalen Behörden neue Unterbringungsplätze bereit. Drei Zivilschutzanlagen im Tessin wurden kurzfristig in Betrieb genommen. Insgesamt können dort rund 150 Personen untergebracht werden.
Zudem wurden mehrere Dutzend Personen in andere Empfangs- und Verfahrenszentren des Bundes gebracht.
Prüfung weiterer Unterkünfte
Auch in der Deutschschweiz wurden laut SEM in jüngster Zeit weitere 160 Plätze in Zivilschutzanlagen eröffnet. Je 80 Plätze seien in Basel und in Kreuzlingen (TG), geschaffen worden, teilte das SEM auf Anfrage mit. Der Bund prüfe derzeit, ob weitere temporäre Unterkünfte in anderen Kantonen eröffnet oder erweitert werden können.
Wie viel die zusätzlichen Plätze kosten, ist noch unklar. Für die zusätzlichen Unterkünfte braucht es mehr Personal bei den Betreuungs- und Sicherheitsdienstleistern, wie das SEM auf Anfrage schreibt. Eine Kostenschätzung könne derzeit nicht gemacht werden.
Südgrenze verstärkt
Auch das Grenzwachtkorps reagiert auf die Zunahme an Asylsuchenden, die aus Italien in die Schweiz gelangen. Mitarbeitende aus anderen Regionen werden an die Südgrenze verlegt, um die Kontrollen zu verstärken.
Das SEM hatte zu Beginn des Jahres mit 29'000 Asylgesuchen für 2015 gerechnet. Kürzlich schloss es einen weitergehenden Anstieg der Asylgesuche jedoch nicht mehr aus. Der Bund will die Lage in den nächsten Monaten neu beurteilen.