Das Unglück vom 11. Juli 2010 hatte schweizweit für Aufsehen erregt: Ein Motorboot war ungebremst auf ein Gummiboot zugefahren. Darin sass ein junges Paar, das sich mit einem Sprung ins Wasser zu retten versuchte. Die Frau aus dem Kanton Aargau wurde von der Schiffsschraube erfasst und verblutete.
Einige Tage später machten die Ermittler einen Bootsbesitzer aus der Region ausfindig, der den Unfall verursacht haben soll. Dieser hat die Tat stets bestritten. Vor dem Regionalgericht Berner Jura-Seeland in Biel verweigerte er am Montag die Aussage.
Im Vorfeld hatte er eingeräumt, er sei an jenem Tag auf dem See gewesen, habe aber nichts Aussergewöhnliches festgestellt. Für Staatsanwältin Silvia Hänzi ist das erklärbar: So funktionierten eben die Menschen, sagte sie unter Verweis auf den Dichter Christian Morgenstern («Weil nicht sein kann, was nicht sein darf»).
Menschliche Partikel am Schiff
Klare Beweise für die Schuld des Mannes konnte die Staatsanwältin zwar nicht präsentieren. Die Indizien reichen aus ihrer Sicht aber für eine Verurteilung aus. So seien an der Schiffsschraube kleine weisse Partikel gefunden worden, die eindeutig von menschlichen Knochen stammten. DNA des Opfers konnte allerdings nicht nachgewiesen werden.
Weiter weise die Schiffsschraube drei Beschädigungen auf, die auf Kontakt mit Knochen zurückgeführt werden könnten. Technische Tests hätte zudem ergeben, dass die Verletzungen am Oberschenkel des Opfers nur von einem ganz besonderen Propeller kommen könnten - demjenigen des Boesch-Motorboots, das der Angeklagte fuhr.
Die Staatsanwältin berief sich auch auf übereinstimmende Zeugenaussagen zum unfallverursachenden Boot und warf dem Angeklagten vor, er sei unvorsichtig gefahren. Das zeige schon die legere Sitzhaltung, die von Zeugen geschildert worden sei.
Weiter habe der graue Star das Sehvermögen des Bootsführers beeinträchtigt, sagte die Staatsanwältin. Sie forderte nebst der bedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten auch eine unbedingte Geldstrafe von 14'400 Franken.
Verteidigung: «Fehler und Vorurteile»
Verteidiger Peter Saluz kritisierte, die Strafverfolgungsbehörden hätten sich frühzeitig auf seinen Mandanten als Täter fokussiert. Das zeigten auch Medienmitteilungen der Staatsanwaltschaft. Die Untersuchung sei «voll von Fehlern und Vorurteilen».
Einzelrichterin Elisabeth Ochsner wies zu Beginn ihrer Urteilsbegründung den Vorwurf der Verteidigung zurück, die Ermittler hätten sich frühzeitig auf den 77-jährigen als Schuldigen fokussiert. Die Polizei habe nicht weniger als 13 andere Bootsführer überprüft und als Täter ausschliessen können, sagte Ochsner.
Zwar seien Partikel menschlicher Herkunft an der Schiffsschraube gefunden worden, doch sie könnten keiner bestimmten Person zugeordnet werden. Die technische Rekonstruktion des Falls werfe ebenfalls mehr Fragen auf als sie beantworte.
Beweise gebe es bis heute nicht, fasste Saluz zusammen. Am Schiff gebe es keine Spuren, die nachweislich vom Opfer stammten. Und beim Opfer seien keine Spuren gefunden worden, die eindeutig auf das Boot des Angeklagten zurückzuführen seien. So blieben beträchtliche Zweifel an der Schuld des Angeklagten, der deshalb freizusprechen sei.
Der Kanton Bern habe die hohen Verfahrenskosten von über 90'000 Franken zu übernehmen. Der Bootsführer solle für seine Umtriebe entschädigt werden, und das beschlagnahmte Motorboot sei ihm zurückzugeben.