Die Masseneinwanderungs-Initiative umsetzen ohne die Bilateralen zu gefährden, daran arbeitet die Schweizer Politik seit über zwei Jahren. Nun haben auch alle Kantone einen Lösungsvorschlag eingebracht: Ein Inländervorrang mit regionaler Schutzklausel.
Die sogenannte Bottom-up-Schutzklausel (von unten) würde die Interessen der Kantone berücksichtigen. Die Schutzklausel käme zum Zug, wenn eine im europäischen Vergleich stark überdurchschnittliche Zuwanderung mit hoher Arbeitslosigkeit oder sinkenden Löhnen eintritt.
Als Massnahme würde dann ein genereller Inländervorrang für den betroffenen Kanton festgelegt. Läge die Zuwanderung sogar sehr stark über dem Durchschnitt, gälte der Inländervorrang auch national, jedoch nur für die betroffenen Branchen.
Kritik aus Italien
Dieser Vorschlag würde keine Kontingente mehr festlegen und damit die Chancen für die Verhandlungen mit der EU verbessern, sagt der ehemalige Staatssekretär Michael Ambühl, der das Modell entworfen hat.
Es gibt aber Kritik aus Italien, wonach vor allem Grenzgänger im Tessin benachteiligt würden. Dazu meint Ambühl, dass das ganze Modell nicht diskriminierend angelegt sei und für alle Länder der EU und der EFTA gleich angewandt würde. Logischerweise wäre das eine oder andere Land mehr betroffen, etwa Deutschland und Italien stärker als z.B. die weiter entfernten Staaten Malta oder Estland.
Ambühl gibt zu, dass die Kriterien für eine Schutzklausel oft auch etwa in Zürich oder im Wallis gegeben wären, wenn man die Daten der vergangenen Jahre anschaut. Unklar bleibt, wie stark mit der Schutzklausel der Kantone die Zuwanderung effektiv reduziert werden könnte.
Weitere Vorschläge in Beratung
Der heute von den Kantonen präsentierte Vorschlag für die Umsetzung des Verfassungsartikels der Masseneinwanderungs-Initiative ist nur einer von vielen, die zur Diskussion stehen.
Bevor die Beratung in der Herbstsession im Nationalrat startet, diskutiert seine Staatspolitische Kommission eine ganze Auswahl von Vorschlägen. Die drei wichtigsten sind dabei:
- Der Vorschlag der Kantone mit einer Bottom-up-Schutzklausel .
Der Vorschlag Inländervorrang .
Er wird von FDP und CVP unterstützt.
Aber nur die CVP erwägt die Festsetzung von Höchstzahlen.
Vorschläge 1 und 2 benötigen eine einvernehmliche Lösung mit der EU.
Vorschlag des Bundesrats mit Höchstzahlen und Kontingenten .
Sollten die Verhandlungen mit der EU scheitern, könnten Höchstzahlen und Kontingente notfalls einseitig umgesetzt werden.
Parteien und Verbände überbieten sich derzeit mit Vorschlägen für die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative im Vorfeld der Herbstsession. Fünf Konzepte und unzählige Anträge stehen bei der Staatspolitischen Kommission auf der Traktandenliste.
Elemente einer Lösung
Aus diesen Vorschlägen zeichneten sich absehbar drei Bausteine einer Lösung ab, sagt Bundeshausredaktor Christoph Nufer:
- Wenn es eine überdurchschnittlich hohe Zuwanderung gibt, und dadurch die Arbeitslosigkeit steigt, dann greift eine Schutzklausel .
- In einem solchen Fall würden Inländer bei der Arbeitssuche bevorzugt ( Inländervorrang ). Dieser Inländervorrang könnte in einer harten, strikten oder auch weicheren Ausgestaltung umgesetzt werden.
- Der Inländervorrang wird stufenweise angewandt: Zuerst greift er lokal, dann nach Branchen oder Berufen, dann kantonal und erst am Schluss national.
Es sei zu erwarten, dass das Parlament aus diesen drei Elementen eine Lösung vorschlagen wird, sagt Christoph Nufer. Offen bleibt, ob dem die SVP als Initiantin des Zuwanderungsartikels zustimmen wird. Die CVP könnte dabei Brückenbauerin sein, weil sie einen Vorschlag machte mit einem Inländervorrang mit zeitlich und örtlich beschränkten Höchstzahlen.
Gegenüber der EU könnten argumentiert werden, dass auch ein Italiener oder Franzose durchaus als Inländer gilt, wenn er in der Schweiz lebt. So könnte also auch ein EU-Bürger mit Wohnsitz in der Schweiz vom Inländervorrang profitieren. Und der Bottom-up-Ansatz der Kantone folgt dem Prinzip, je schwieriger die Situation, desto mehr werden Inländer bevorzugt.
Aber Nufer hält fest, dass ein Inländervorrang, so schwach er auch ausgelegt ist, verträgt sich nicht mit dem Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU.