Worum es geht bei der Durchsetzungsinitiative, ist bekannt : die automatische Ausschaffung von Straftätern ohne Schweizer Pass. Was sie in der Praxis bedeutet, da gibt es jede Menge Fragezeichen: Sind etwa Secondos betroffen? Welche Taten sind genau gemeint? Das neuste Fragezeichen sind die Jugendlichen. Werden auch sie ausgeschafft, obwohl noch nicht einmal mündig vor dem Gesetz? Da herrscht Konfusion – sogar im Lager der Intitianten.
Zum Beispiel Pedro: Trinkt viel Bier und stiehlt Zigaretten
Pedro. Der fiktive 17-jährige Portugiese ist in der Schweiz aufgewachsen. An einem Abend trinkt er mit zwei Freunden zu viel Bier, dann brechen die drei in einen Kiosk ein und klauen Zigaretten. Das Trio wird geschnappt, alle drei werden wegen Diebstahl, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch verurteilt. Müsste Pedro gemäss der Durchsetzungsinitiative als Ausländer nun auch das Land verlassen?
Man würde Jugendliche nicht nur schuldig sprechen, sondern müsste sie zwingend auch ausschaffen.
Christoph Bürgin, Jugendrichter in Basel und Gegner der SVP-Initiative: «In der Verfassung wird kein Unterschied gemacht zwischen Erwachsenen und Jugendlichen, das heisst Personen unter dem 18. Altersjahr. Man würde Jugendliche nicht nur schuldig sprechen, sondern müsste sie zwingend auch automatisch ausschaffen.» Kurzum: Ja, der Initiativtext gelte auch für Minderjährige.
Der Rechtsprofessor und SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt widerspricht: «Die SVP selber hat auch in ihrem Argumentarium immer gesagt: Die Durchsetzungsinitiative kommt nicht zur Anwendung für Minderjährige, für jugendliche Straftäter. An der jetzigen Rechtslage würde sich mit der Durchsetzungsinitiative nichts ändern.» Will heissen: Die Minderjährigen seien nicht gemeint. Auch wenn das im Initiativtext nicht so drin stehe.
Parteiintern widersprüchliche Auslegungen
Tatsächlich hält die SVP im Argumentarium fest: «Die Durchsetzungsinitiative bezieht sich nur auf das Erwachsenenstrafrecht und nicht auf das Jugendstrafrecht.»
Die Durchsetzungsinitiative kommt nicht zur Anwendung für Minderjährige, für jugendliche Straftäter.
So klar ist das mit den Jugendlichen aber auch partei-intern nicht. Gegenüber «20 Minuten» sagte SVP-Nationalrat Heinz Brand letzte Woche, die Initiative gelte auch für Minderjährige: «Wer sich nicht an unsere Regeln hält, muss die Schweiz verlassen, egal wie alt er ist.»
Wer sich nicht an unsere Regeln hält, muss die Schweiz verlassen, egal wie alt er ist.
Diese Äusserung irritierte auch die Justizministerin. In der Arena sagte sie zum SVP-Präsidenten: «Plötzlich hat jemand gesagt: Das gilt auch für Jugendliche, die müssen auch ausgeschafft werden. Herr Nationalrat Heinz Brand hat das gestern öffentlich gesagt. Herr Rösti hat dementiert: Nein, nein, die müssten nicht ausgeschafft werden. Ich muss sagen, für Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ist das ganz schwierig.»
SVP-PräsidentToni Brunner, ebenfalls Gast in der Arena, widerspricht: «Sie haben von uns nie etwas anderes gehört, als dass da das Jugendstrafrecht nicht darauf angewendet werde. Es ist so, dass bis 18-Jährige nicht betroffen wären.»
Ich muss sagen, für Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ist das ganz schwierig
Was gilt nun für minderjährige Straftäter wie den fiktiven Pedro? Aus Sicht des Bundesrates ist das unklar. In seiner Botschaft zur Initiative heisst es dazu: «Da dies nicht eindeutig aus dem Verfassungstext hervorgeht, wäre zu prüfen, ob das Jugendstrafgesetz nicht dahingehend angepasst werden müsste, dass eine Landesverweisung gegenüber einer minderjährigen ausländischen Person ausgeschlossen ist.»
Jeder Gesetzesartikel müsse interpretiert werden
SRF konfrontiert Vogt mit der Botschaft: «Kritiker sagen: Die SVP hat geschludert, einen unsorgfältigen Text vorgelegt.» Doch Vogt hält entgegen: «Jede Gesetzesbestimmung, jeder Artikel in Verfassung muss man auslegen. Das ist letztlich die Aufgabe der Gerichte. Dann wird man feststellen, dass mit Durchsetzungsinitiative nie gemeint war, dass auch minderjährige Straftäter ausgwiesen werden.»
Um die minderjährigen Straftäter herrscht Konfusion: Selbst laut SVP müssten hier also die Richter Klarheit schaffen.