Zum Inhalt springen

Schweiz–EU Das müssen Sie zu den EU-Verträgen wissen

Darum gehts bei Stromabkommen, Rechtsübernahme und Europäischem Gerichtshof. Der Überblick.

Dynamische Übernahme von EU-Recht: In Bereichen, in denen die Schweiz Zugang hat zum Binnenmarkt der Europäischen Union, verpflichtet sie sich künftig, Weiterentwicklungen im EU-Recht zu übernehmen. Parlament und Stimmvolk hätten ein Veto, müssten bei Ablehnung aber mit Konsequenzen rechnen. Die Schweiz sichert sich also den Zugang zum Binnenmarkt, das beeinflusst aber Debatten vor künftigen Volksentscheiden.

Dynamische Rechtsübernahme

Box aufklappen Box zuklappen

Sie gilt für die sogenannten Marktzugangsabkommen: das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der Konformität (MRA), den Land- und Luftverkehr, die Personenfreizügigkeit sowie für die neuen Abkommen über den Strommarkt und die Lebensmittelsicherheit. Nach jüngsten Informationen des EDA sind im Abkommen über die Landwirtschaft offenbar keine institutionellen Elemente mehr vorgesehen – die entsprechenden Regeln werden im neuen Bereich Lebensmittelsicherheit festgelegt. Die EU macht die institutionellen Elemente zudem zur Bedingung auch für künftige Marktzugangsabkommen. Bereits bekannt ist der Mechanismus der dynamischen Rechtsübernahme im Bereich der Sicherheit und des Asyls (Schengen und Dublin), die bereits in Kraft sind.

Ausgleichsmassnahmen der EU: Lehnt die Schweiz eine Angleichung an weiterentwickeltes EU-Recht in den vereinbarten Bereichen ab und erlangt so einen Vorteil, kann die EU Massnahmen ergreifen, die diesen Vorteil ausgleichen. Die Massnahmen dürfen nur im Bereich der Binnenmarktabkommen greifen und müssen verhältnismässig sein. Das Schiedsgericht würde die Verhältnismässigkeit überprüfen. Auch weil im Moment der Volksabstimmung nicht klar ist, welche Massnahmen die EU allenfalls ergreift, sorgen die Ausgleichsmassnahmen für Kritik, etwa in der Mitte-Partei.

Streitbeilegung und der Europäische Gerichtshof: Kommt es zwischen der Schweiz und der EU zu einem Streitfall, so gibt es künftig ein Schiedsverfahren. Im Schiedsgericht sind EU und Schweiz gleichermassen vertreten. Das Gericht muss aber Fragen rund um den Binnenmarkt dem Europäischen Gerichtshof vorlegen, der dann in diesen Fragen entscheidet. Verurteilt das Schiedsgericht die Schweiz und will die Schweiz ein Urteil nicht umsetzen, wären wiederum Ausgleichsmassnahmen möglich. Die Rolle des EuGH führt zu grosser Ablehnung, insbesondere bei der SVP, die das Paket deswegen ganz ablehnt.

Vertragstexte veröffentlicht

Box aufklappen Box zuklappen

Es wird erwartet, dass der Bundesrat nach seiner Sitzung am Nachmittag die Vertragstexte mit der EU veröffentlicht. Die EU-Kommission hat die neuen und geänderten Abkommen zwischen der Schweiz und der EU bereits publiziert. Schweizer Parlamentsmitglieder gehen davon aus, dass der Bundesrat um 16 Uhr mit einer Medienkonferenz die Vernehmlassung zum Dossier eröffnen würde. Als erstes berichtete «Blick» über die Veröffentlichung.

Der Antrag der EU-Kommission an die Mitgliedstaaten der EU umfasst 62 Seiten (Proposal for a Council Decision) mit 13 Anhängen. In diesen sind die Abkommen in den verschiedenen Bereichen geregelt. Der Rat der EU (27 Mitgliedstaaten) muss die Dokumente bestätigen, damit die EU-Kommission die Verträge formell unterzeichnen kann.

Die Verträge wurden im Mai in Bern durch die Chefunterhändler der Schweiz und der EU paraphiert, das heisst vorläufig unterzeichnet.

Strommarkt-Liberalisierung: Neben einer Auffrischung für die bestehenden Abkommen gibt es auch zwei neue. Unter anderem soll der Strommarkt mit jenem der EU verknüpft werden. Ziel: mehr Versorgungssicherheit und tiefere Kosten. Kritische Stimmen, etwa in den Gewerkschaften, befürchten das Gegenteil. Und sie machen sich Sorgen um Mitarbeitende in lokalen Stromunternehmen. Der Bundesrat will das Abkommen separat zur Abstimmung bringen, damit eine Ablehnung nicht das ganze Paket gefährdet.

Eine Hand hält einen Stift, im Hintergrund die Europa-Flagge
Legende: Die Verträge sollen die bestehenden bilateralen Abkommen stabilisieren und aktualisieren sowie eine neue Anbindung in den Bereichen Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit schaffen. Keystone /AP Photo / Alessandra Tarantino

Lohnschutz: Die Gewerkschaften befürchten, dass die Löhne in der Schweiz unter Druck kommen. Der Bundesrat hat mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern deshalb 14 Massnahmen definiert, die den Lohnschutz garantieren sollen. Er hofft damit, den Widerstand in den Gewerkschaften zu besänftigen. Bürgerliche Stimmen kritisieren, damit werde der liberale Arbeitsmarkt geschwächt. Entscheidend wird sein, wie das Parlament mit dem Massnahmenpaket zum Lohnschutz umgeht.

Kohäsionsgelder: Die Schweiz verpflichtet sich, künftig einen höheren Beitrag an den wirtschaftlichen Zusammenhalt des Binnenmarktes zu zahlen. Mit dem Geld werden etwa Projekte in Osteuropa finanziert. Heute beträgt der Kohäsionsbeitrag rund 130 Millionen Franken pro Jahr, künftig sollen es 350 Millionen sein. Diese Steigerung dürfte im Parlament für grosse Kritik sorgen.

So geht es weiter: Der Bundesrat wird nach der Publikation der neuen EU-Verträge und der dafür nötigen Gesetzesanpassungen eine Vernehmlassung durchführen. Interessierte können sich dabei zum Paket äussern – und die Parteien werden Position beziehen müssen. Anschliessend wird das Parlament das Paket beraten, bevor es voraussichtlich 2028 zur Volksabstimmung kommt.

Die neuen Verträge CH und EU

Die neuen Verträge CH und EU

Diskutieren Sie mit:

10 vor 10, 12.6.2025, 21:50 Uhr;stal;liea

Meistgelesene Artikel