Zum Inhalt springen

Schweiz «Freizügigkeit ist für die EU wie für uns die direkte Demokratie»

Trotz Bedenken der EU gegen Zuwanderungs-Quoten ist Brüssel laut EDA-Staatssekretär Yves Rossier zu Gesprächen bereit. EU-Chefdiplomat David O’Sullivan warnt aber im «Rundschau»-Interview: eine Neuverhandlung des Freizügigkeitsabkommens gefährde das Verhältnis zwischen der EU und der Schweiz.

Zur Person

Box aufklappen Box zuklappen
Yves Rossier.
Legende: keystone

Der 53-jährige Freiburger Jurist Yves Rossier ist seit Mai 2012 Staatssekretär im EDA. Zuvor war der fünffache Familienvater Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherung. Als persönlicher Mitarbeiter der Bundesräte Delamuraz und Couchepin arbeitete sich der Schnelldenker und –Sprecher in den 90er Jahren hoch.

Bevor der Bundesrat am 20. Juni sein Umsetzungs-Konzept zur Masseneinwanderungs-Initiative vorstellt, sucht EDA-Staatssekretär Yves Rossier aktiv den Kontakt zur EU und den wichtigen Mitgliedstaaten.

Begleitet von einem «Rundschau»-Team hat er zum zweiten Mal nach dem 9. Februar den EU-Chefdiplomaten David O’Sullivan in Brüssel besucht. Die Schweiz müsse jetzt bei der Umsetzung der Initiative nicht nachgeben, sondern sich auf die «gemeinsamen Interessen» mit der EU konzentrieren. So verhandle man besser, als etwas zu geben, um etwas zu bekommen. «Das machen sie im Schulhof, wenn sie Panini-Bilder austauschen», stellt Rossier gewohnt prägnant fest.

«Fein gestricktes Verhältnis Schweiz EU aufschnüren»

In einem ausführlichen Interview mit der «Rundschau» zeigt EU-Chefdiplomat David O’Sullivan zwar Verständnis für eine Verschärfung des Zugangs zu Sozial- oder Gesundheitsleistungen für Zuwanderer.

Das Prinzip der Freizügigkeit an sich sei aber eine «rote Linie». «Alles, was diese rote Linie berühren könnte, bringt Probleme», sagt O’Sullivan. Undiplomatisch deutlich macht der irische EU-Topdiplomat klar, dass die Schweiz zwar über eine Änderung des Freizügigkeitsabkommens verhandeln könne. Man laufe damit aber Gefahr, das gesamte «feingestrickte Verhältnis» zwischen der Schweiz und der EU «aufzuschnüren», sollte man sich nicht einigen können.

Mehr zum Thema

Rossier zeigt für die harte Haltung Brüssels ein gewisses Verständnis. «Für viele Mitgliedsstaaten ist die Freizügigkeit so wichtig wie für uns die direkte Demokratie. Auch ich würde sagen, die direkte Demokratie steht für mich nicht zur Diskussion.» Trotzdem gibt er sich vorsichtig optimistisch, eine Lösung mit der EU zu finden. Es sei nicht wegen ein paar «Deklarationen» bereits alles entschieden.

«Ich halte wenig von Verschwörungstheorien»

Den Komplott-Vorwurf der SVP findet Yves Rossier «lächerlich». Danach hätten sich die Bundesrats-Parteien (ohne SVP) bereits bei den letzten Von-Wattenwyl-Gesprächen darauf geeinigt, die Masseneinwanderungs-Initiative möglichst hart umzusetzen, um ein klares «Nein» aus Brüssel zu provozieren. Dieses würde den Weg ebnen für eine zweite, korrigierende Volksabstimmung. «Ich halte wenig von Verschwörungstheorien, die sind total fehl am Platz», so Rossier. Der Bundesrat habe den klaren Auftrag von Volk und Ständen erhalten, die Initiative «richtig, nicht hart oder sanft» umzusetzen.

Bereits am 12. Juni beim jährlichen Treffen des gemischten Ausschusses Schweiz-EU zum Personenverkehr werde die Schweiz ankündigen, das Freizügigkeitsabkommen mit der EU in Verhandlungen ändern zu wollen. Rossier bestätigt, dass ein EDA-internes Gutachten zum klaren Schluss gekommen ist, dass die Initiative nicht mit dem gültigen Abkommen mit der EU vereinbar sei. «Das ist tatsächlich so.» Rossier bestätigt damit erstmals offiziell, was in diversen Medien bereits angetönt wurde.

Meistgelesene Artikel