Die Waadtländer Innenministerin Béatrice Métraux wusch ihre Hände in Unschuld. In der Diskussion im Westschweizer Radio erklärte sie: Niemand im Strafvollzug habe gewusst, dass die geflohenen Häftlinge zur gefährlichen «Pink Panther»-Bande gehörten. Wenn solche Informationen fehlten, sei die Arbeit schwierig, sagt sie.
Unterstützung bekommt Métraux von Thomas Noll. Er ist Direktor des Schweizerischen Ausbildungszentrums für das Strafvollzugspersonal. Es sei an der Zeit, dass die Schweiz ein Häftlingsregister schaffe. «Es ist sehr wichtig zu wissen, wie gross die Rückfallgefahr ist, ob schon Fluchtversuche stattgefunden haben oder ob der Häftling im Gefängnis schon gewalttätig war.»
Freie Plätze zentral verwalten
Zusätzlich schlägt Noll eine Gefangenenbörse vor. Bei landesweit 109 verschiedenen Anstalten verbrächten die Verantwortlichen heute Stunden am Telefon, müssten Anstalt um Anstalt abklappern. Eine Zentrale sei sinnvoll, die freie Plätze registriere, um jeweils den richtigen Platz für einen Häftling zu finden. «So wäre der Überblick über die Gefängnislandschaft gegeben. Man könnte sehr viel kostengünstiger und effizienter arbeiten», sagt Noll.
Die Schweizer Gefängnislandschaft sei archaisch, kritisiert Noll und schlägt noch eine dritte Verbesserung vor: Eine Meldestelle für Fast-Zwischenfälle. «Wenn es beinahe zu einem schwerwiegenden Fehler kommt, kann das anonym gemeldet werden.»
Der Kanton Solothurn kennt seit einem Jahr so ein anonymes Meldesystem. Die Initiative stammt von Charles Jakober, dem Leiter der Anstalt «Im Schache». Er wundert sich, dass vor ihm noch niemand auf die Idee gekommen ist. «Im Gesundheitsbereich und in der Luftfahrt sind die Systeme sehr verbreitet. Jede Organisation, die sich mit Risiken auseinandersetzen muss, ist mit einem solchen System gut beraten.» Wichtig sei, offen über Risiken zu diskutieren.
Zurückhaltung in der Deutschschweiz
Gleich drei Verbesserungsvorschläge aus der Romandie – für die ganze Schweiz. Auf der anderen Seite des Röstigrabens hält sich die Begeisterung über so viel Neues in Grenzen. Die Konferenz der Justizdirektoren hat in einer ersten Diskussion beschlossen: vorerst nicht reagieren.
Robert Frauchiger, der Generalsekretär des Strafvollzugskonkordat der Nordwest- und Innerschweiz, kann einzig einem Meldesystem etwas abgewinnen. Diese Idee sei wirklich interessant.
Aber eine Gefangenenbörse? Landesweit? «Dass die Schweiz so etwas braucht, würde ich bezweifeln. Aus meiner Erfahrungen funktioniert der Austausch von Gefangenen auf bilateralem Weg sehr gut», sagt Frauchiger.
Und auch ein System mit Informationen über die Gefangenen sei überflüssig. Die nötigen Informationen könne man doch einfach auf einem Formular eintragen und dem Häftling mitgeben.
Momentan zeigt die Deutschschweiz wenig Interesse an den Lehren, welche die Westschweizer aus ihren Erfahrungen ziehen wollen.