Immer weniger Junge finanzieren die Renten der Älteren. Was bedeutet das für den Zusammenhalt zwischen den Generationen? Und auf welche Rezepte müsste Bundesrat Alain Berset bei seiner «Vorsorgereform 2020» zurückgreifen?
Bernd Raffelhüschen, Jahrgang 1957, bringt es auf den Punkt: «Jeder von uns will doch gerne alt werden. Wir wollen alle gesund länger leben. Aber bezahlen müssen das die anderen, oder?» «Die andern», das sind die Erwerbstätigen, die Beitragszahler. Sie waren es auch, die diese Woche an einem Vorsorge-Forum der UBS die Podiums-Diskussion mit Raffelhüschen, dem deutschen Ökonomen und Vorsorgespezialisten, interessiert verfolgten.
«Dass ihr zu viele seid, ist doch nicht unser Problem»
Die Rechnung, die ihnen dort präsentiert wurde, hat es in sich: Stellt man die heutigen Rentenversprechen der AHV den künftigen Einnahmen gegenüber, klafft ein Loch von satten 1000 Milliarden Franken. Ein Loch, das vor allem die im Saal gut vertretene Generation der Babyboomer verursacht hat.
Für die Zukunft prophezeit Raffelhüschen Konfliktstoff. «Wenn wir jungen Erwerbstätigen in 20 Jahren erzählen, dass sie uns so viel geben müssen und dass sie deshalb so hohe Abgaben haben, werden die uns sagen: So hohe Beitragszahlungen und Lasten habt ihr nicht gehabt in eurem Leben», so der Experte. «Die werden uns sagen: Dass ihr so viele seid, ist doch nicht unser Problem.» Schliesslich hätten es die Babyboomer selber schlicht versäumt, für genügend Nachwuchs zu sorgen.
Die Rentner von heute und morgen primär als Problem für unsere Gesellschaft darzustellen, dagegen wehrt sich Peter Gross, Jahrgang 1941, vehement. Der emeritierte St. Galler Soziologieprofessor, der bei seiner Generation übrigens lieber von «Langlebigen» als von «Alten» spricht, betont: Die gestiegene Lebenserwartung sei doch keine zivilisatorische Katastrophe. «Die Schweiz ist mit der Lebenserwartung ja nicht das Schlusslicht der demografischen Evolution, sondern der Weltmarktführer einer demografischen Entwicklung, die sukzessive alle Länder, alle Kulturen dieser Welt einschlagen werden.»
2060 nur noch zwei Berufstätige pro Rentner
Doch für die jüngeren Generationen dürfte die Langlebigkeit schon bald ins Geld gehen: Heute kommen noch vier Aktive auf einen Rentner, 2060 sind es dann nur noch zwei pro Rentner. Dass das zu einem Graben zwischen den Generationen führen könnte, glaubt der Soziologe allerdings nicht: «Die Zuneigung der Generationen untereinander ist eine völlig andere als vor 50 Jahren.»
Bei den wenigen Kindern steige nicht nur die Erbquote, sondern auch die Zuneigungsquote. «Diese Zuneigungsquote pro Kind führt nicht nur dazu, dass die Kommunikation und auch die Liebe eine völlig andere ist, sondern auch, dass die privaten Zuwendungen, die andauernd von den Generationen nach unten weitergegeben werden, ganz anderer Natur sind.»
Avenir-Suisse-Fachmann Jérôme Cosandey, Jahrgang 1970, entgegnet: «Ich teile diese Auffassung, dass der private Generationenvertrag so fest ist wie nie. Aber die Jüngeren wären allenfalls nicht mehr so bereit, in einen grossen, kollektiven Topf einzuzahlen, wenn sie nicht genau wissen, was zurückkommt.»
Höheres Rentenalter bekommt viel Gegenwind
Das Spannungsfeld zwischen Jungen und Alten in der Altersvorsorge könnte man laut den verschiedenen Experten sehr wohl durch einen einfachen Kniff entschärfen: mit einer Heraufsetzung des Rentenalters. Die Älteren würden so länger Beiträge zahlen und weniger lang Renten beziehen, was das Finanzierungsproblem gleich doppelt entschärfen würde.
Nur: Dazu bieten bisher weder die Unternehmen, die vermehrt Ältere beschäftigen müssten, noch die Politik Hand. Entsprechend vorsichtig sind hier denn auch die Reformpläne von Bundesrat Berset. Bereits sein Vorhaben, das Rentenalter der Frauen auf 65 anzuheben, ist politisch hart umkämpft.
Ein kleiner Trost bleibt der Schweiz aber. «Ich würde Ihnen den Rat geben: Jammern Sie nicht auf so hohem Niveau», formuliert es der deutsche Experte Raffelhüschen pragmatisch. «Eines muss man ganz klar sehen: Den anderen geht es schlechter als Ihnen.» Die Schweiz sei so reich wie noch nie. «Wenn Sie anfangen zu jammern, dann wird es irgendwie kurios.»