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Schweiz Gewerkschaften erwägen Kampf gegen Strommarktöffnung

Die Liberalisierung des Strommarktes hat in allen grossen EU-Staaten die Strompreise für Haushalte im Schnitt um 38 Prozent erhöht. Aus diesem Grund stellt sich der Schweizerische Gewerkschaftsbund gegen eine Marktöffnung in der Schweiz und überlegt sich, das Referendum zu ergreifen.

In der Vernehmlassung zur zweiten Etappe der Strommarktöffnung haben Parteien und Verbände Stellung bezogen. Links-Grün ist skeptisch, Unternehmer und Bürgerliche wollen die Liberalisierung.

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Legende: In den grossen EU-Ländern sind die Strompreise für Haushalte im Durchschnitt um fast 38 Prozent angestiegen. SRF

Während in der Schweiz noch über die Liberalisierung des Strommarktes diskutiert wird, ist sie in Europa bereits Tatsache. Deutschland öffnete bereits 1998 seinen Strommarkt für Privatkunden. Der Preis für eine Kilowattstunde Strom ist seither von 17 Cent auf über 29 Cent per Ende 2013 gestiegen. Allein zwischen 2007 und 2013 stieg der Preis um 41 Prozent.

Dies ist nur ein Beispiel für den Trend, der sich in allen grossen EU Staaten zeigt. Nach der Öffnung des Strommarktes auch für Privatkunden am 1.7.2007 stiegen die Strompreise in Durchschnittshaushalten der grossen EU-Staaten um 37,5 Prozent. Dies ergibt eine Auswertung von Eurostat-Zahlen durch die Tagesschau.

«Ein Brandgefährliches Experiment»

Für Dore Heim, Zentralsekretärin des Gewerkschaftsbundes SGB, ist klar, dass eine volle Marktöffnung für die Haushalte keine tieferen Preise bringen werde, anders als etwa nach der Liberalisierung des Telekom-Marktes. Grund dafür sei, dass sich schon heute mehr als die Hälfte des Strompreises aus Netzentgelten, Abgaben und Steuern zusammen setze. Und diese würden durch die Energiewende und die Erneuerung des Stromnetzes eher noch steigen.

Die Stromindustrie sei bereits heute durch tiefe Preise und Energiewende stark gefordert. Eine Stromversorgung zu erschwinglichen Preisen sei für Schweizer Unternehmen und Haushalte von «allerhöchster Wichtigkeit».

Darum bekämpfen die Gewerkschaften den weiteren Liberalisierungsschritt. «Dieses brandgefährliche Experiment kann sich die Schweiz nicht leisten», so Heim.

Energiepreise sind «historisch tief»

Michael Frank, Direktor des Verbandes Schweizerischer Stromunternehmen sieht es ganz anders. Auch er anerkennt, dass die Strompreise in Europa seit der grossen Liberalisierungswelle 2007 gestiegen sind. Dafür verantwortlich macht er aber die immer höher werdenden Steuern und Abgaben, die nötig sind, um die Energiewende zu finanzieren.

Das sehe man deutlich in Deutschland. Der reine Energiepreis sei «historisch tief». Für die Schweizer Konsumenten sei es wichtig, dass sie künftig wählen können, von wem und welche Art Strom sie kaufen wollen. Als weiteres Argument für die volle Marktöffnung führt Frank ins Feld, dass der Abschluss eines Stromabkommens mit der EU nur möglich sei, wenn die Schweiz zuerst ihren Strommarkt voll liberalisiere.

Dore Heim vom SGB sieht da keine Eile für die Schweiz. Zuerst gelte es jetzt die anderen Probleme mit der EU zu lösen – also institutionelle Fragen und die Personenfreizügigkeit – anstatt als Vorleistung eine Liberalisierung durchzuziehen.

Gewerkschaften überlegen sich ein Referendum

Bereits nachdem Energieministerin Doris Leuthard im Oktober 2014 den zweiten Schritt zur vollen Öffnung des Strommarktes vorstellte, drohten die Gewerkschaften mit einem Referendum. Laut Heim «diskutiere» man in den Gremien der Gewerkschaften darüber und warte das Ergebnis der Vernehmlassung ab.

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