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Polizist in Zürich
Legende: Auf massive Bedrohungen gegen Kesb-Mitarbeiter hat auch die Kantonspolizei Zürich reagiert. Keystone

Schweiz Kesb-Mitarbeiter massiv bedroht – Polizei ermittelt

Eigentlich wollten Verantwortliche der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Winterthur-Andelfingen am Montag hinstehen und kritische Fragen zu ihrer Rolle im Flaacher Familiendrama beantworten. Aber: Die Polizei riet dringend davon ab.

Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Kesb von Winterthur steht nach dem Familiendrama in Flaach massiv unter Druck. Die Behörde muss sich zu ihrer Rolle im Vorfeld der Kindstötungen kritische Fragen stellen lassen. Aber nicht nur das: Die Behörde wird massiv bedroht. Nun ist die Polizei aktiv geworden.

Grund für die Intervention der Polizei sei eine Flut von Drohungen, sagt eine Sprecherin der Behörde, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben will. «Es sind Drohungen, die direkt per Mail bei der Kesb gelandet sind und es sind Drohungen auf Online-Medien, auf Social-Media-Plattformen. Wir leiten die Drohungen konsequent an die Polizei weiter.»

Offene Aufrufe zur Gewalt

Die Drohungen reichen von Beschimpfungen bis zu offenen Aufrufen zu Gewalt gegen Mitglieder der Behörde. «In so einem Ausmass haben wir noch nie Drohungen bekommen. Das haben wir in diesem Ausmass noch nie erlebt», sagt die Sprecherin.

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Auch für Werner Schaub, Informationschef der Zürcher Kantonspolizei, ist das Ausmass, die Heftigkeit dieses sogenannten Shit-Storms, aussergewöhnlich. Man sammle jetzt die Aufrufe und Mails und versuche die Urheber zu ermitteln und zur Verantwortung zu ziehen.

Gleichzeitig, so sagt er weiter, stehe die zuständige Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde seit Montag unter Polizeischutz. «Die Kantonspolizei Zürich hat zusammen mit der Stadtpolizei Winterthur wegen dem Standort der Kesb in Winterthur entsprechende Massnahmen getroffen. Über die Massnahmen selber können aber aus polizeitaktischen Gründen keine näheren Angaben gemacht werden.»

Keine Anzeichen bevorstehender Gewalt

In der Sache betonte die Behörde am Montag noch einmal, dass es keinerlei Anzeichen gegeben habe, dass die Mutter ihren Kindern etwas antun könnte. Das habe auch die nochmalige Durchsicht aller Akten ergeben.

Bis in zwei Wochen muss die Behörde dem zuständigen Regierungsrat einen Bericht zum Fall abliefern, genauso wie der Bezirksrat. Dieser hatte an Silvester den Entscheid der Kesb bestätigt, dass die Kinder nach den Festtagen vorerst wieder in ein Kinderheim hätten gebracht werden sollen. Als die Mutter von diesem Entscheid erfahren hatte, fasste sie möglicherweise den fatalen Entschluss, ihre Kinder zu töten.

Experte zum Kesb-Vorgehen

Die allgemeine Kritik an der Kesb, dass da grundsätzlich nur Juristen am Werk seien, die aus kühler Distanz formalistische Entscheide treffen würden, kann Guido Marbet, Präsident der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz, nicht verstehen.

Gegenüber «10vor10» erklärte er, dass die Kesb-Behörden interdisziplinär zusammengesetzt sind. Neben Rechtsexperten würden vor allem auch qualifizierte Sozialarbeiter über gemeldete Gefährdungsmeldungen beraten und gegebenenfalls entscheiden.

Nach dem Entscheid der Kesb können die Betroffenen Rechtsmittel ergreifen. Von Gesetzes wegen hätten diese aufschiebende Wirkung, so Marbet. «Doch gerade wenn es um dringende Sofortmassnahmen geht und eine Gefährdung akut ist, dann entzieht die Kesb in aller Regel die aufschiebende Wirkung.» Wenn man eine Beschwerde einreiche, dann könne man bei der Rechtsmittelinstanz verlangen, dass über die aufschiebende Wirkung zuallererst entschieden werde.

Die Vorwürfe, dass bei den Entscheiden die Gemeinden aussen vor stünden, teilte Marbet nicht. Bei der Abklärung und der Gefährdungsmeldung sei dies nicht der Fall. Nur bei der Entscheidung stünden die Gemeinden aussen vor. Marbet betonte zudem, dass das neue Recht vorsehe, dass – wenn immer möglich – zuerst auf das familiäre Netz zurückgegriffen werde, bevor überhaupt eine behördliche Massnahme ergriffen wird.

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