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Schweiz Lebensabend hinter Schloss und Riegel

Der harte Kurs gegenüber Verwahrten macht sich in Schweizer Gefängnissen bemerkbar: Immer mehr Häftlinge altern in einer Zelle. Seit 2010 führt die Justizvollzugsanstalt Lenzburg die Abteilung 60plus. Die Plätze sind beliebt, wie «Schweiz aktuell» zeigt.

Mit einem speziellen Weiterbildungsprogramm reagieren Schweizer Gefängnisse auf die Zunahme von älteren Häftlingen. Krankheiten und Tod stellen das Betreuungspersonal vor neue Herausforderungen – davon betroffen ist auch das Verhältnis zwischen Gefangenen und Wärtern.

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Ein Gefängniswärter überreicht einem Insassen eine Mahlzeit.
Legende: Keystone

Mit einem speziellen Weiterbildungsprogramm reagieren Schweizer Gefängnisse auf die Zunahme von älteren Häftlingen. Krankheiten und Tod stellen das Betreuungspersonal vor neue Herausforderungen – davon betroffen ist auch das Verhältnis zwischen Gefangenen und Wärtern.

Die Seniorenabteilung in Lenzburg (AG) ist voll belegt. «Wir führen eine Warteliste», sagt Bruno Graber, der Leiter des Zentralgefängnisses. Auf ihn und sein Team kommen neue Herausforderungen zu, etwa dann, wenn ältere Häftlinge intensive Pflege benötigen. «Wir müssen näher ran, wenn wir zum Beispiel jemandem einen Stützstrumpf anziehen oder beim Salben helfen müssen.» Die ungewohnte Nähe erzeuge auch Widerstand beim Personal, das gelernt habe, Distanz zu wahren.

Alexander F.* belegt einen der zwölf Plätze in der Seniorenabteilung. Der 58-Jährige hat eine lange Gefängniskarriere hinter sich. Er hat eine Prostituierte vergewaltigt und bleibt verwahrt. Seit eineinhalb Jahren sitzt der gelernte Landwirt in Lenzburg. Alexander F. leidet an Arteriosklerose und hat noch eine Lebenserwartung von drei bis fünf Jahren. Seit Monaten hat er Frau und Kinder nicht mehr gesehen. «Mein grösster Wunsch wäre, im Kreis meiner Familie sterben zu können.»

Regelmässig wird Alexander F. ins Berner Inselspital gefahren. Seine Krankheit ist so weit fortgeschritten, dass nur noch Spezialisten die medizinische Betreuung sicherstellen können. Das Zentralgefängnis sei allerdings gerüstet für weniger komplizierte Fälle, sagt Bruno Graber im Krankenzimmer, wo Rollatoren und Rollstühle neben einem Spitalbett stehen. Falls nötig, werde man auf Fachpersonal der Spitex oder externe Ärzte zurückgreifen.

Im Kräutergarten die Gitter vergessen

Auch die Küche in der Abteilung 60plus ist ausschliesslich für ältere Häftlinge bestimmt. Nur ihnen ist es erlaubt, hier gemeinsam zu kochen. Für Alexander F. ein Highlight: «Da findet das Leben statt, hier diskutieren wir miteinander. An diesem Ort vergesse ich ein wenig die Einsamkeit.» Noch ein Privileg haben Insassen wie Alexander F.: Sie dürfen sich im Garten mit einem Teich und Kräutern aufhalten. Eine Stiftung hat die Anlage mitfinanziert, die von hohen Gittern und Mauern umgeben ist. Die Schönheit und der Duft der Pflanzen lasse ihn für einen Moment vergessen, dass er sich in einem Knast befinde, meint Alexander F. und lächelt dabei für einen Moment in die Kamera.

Solche Annehmlichkeiten haben für Bruno Graber nichts mit «Kuscheljustiz» zu tun. «Müsste jemand den ganzen Tag in einer Zelle verbringen, wünschte er sich einen Ort, der ein wenig grosszügiger ist und wo er sich etwas bewegen kann.»

*Name der Redaktion bekannt

webk

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