Schweizer Verkehrsunternehmen sollten stärker zusammenarbeiten, fordert Bundesrätin Doris Leuthard. Vor der versammelten ÖV-Branche hat sie den Unternehmen ins Gewissen geredet. Arbeiteten sie im digitalen Bereich, etwa bei Tickets und Reservationen, nicht enger zusammen, würden sie von der Konkurrenz aus der Technologiebranche mit neuen Verkehrsmodellen wie etwa der Taxi-App Uber überrollt.
SRF News: Wieso rufen Sie die Verkehrsunternehmen zur digitalen Zusammenarbeit auf?
Bundesrätin Doris Leuthard: Wir gehören im Mobilitätsbereich noch nicht zu den weltweiten Topunternehmen. Unser Reservationssystem mit den gelben Zetteln etwa ist nicht mehr zeitgemäss. Heute beziehen aber viele Leute schon ÖV-Angebote im Internet, und das wird noch viel weiter gehen. Unsere verschiedenen Tarifregionen überfordern aber viele Kunden. Damit es für sie einfacher wird, müssen die ÖV-Unternehmen miteinander eine Plattformen entwickeln. Das ist ein Gebot der Zeit.
Ihr Traum wäre eine Tarifregion für die ganze Schweiz?
Zumindest eine Plattform wäre es, auf der alles berechnet wird, und Kunden die Tickets, die sie brauchen, kaufen können. Hinter der Plattform könnten die einzelnen Tarifregionen dann selbstverständlich abrechnen. Für den Kunden ist es heute sehr kompliziert, ein Ticket oder ein anderes Angebot zu kaufen. Und die Mobilität wird weiter zunehmen. Kunden sollten daher für ihre verschiedenen Wünsche auf einen Klick ein Ticket und ein Angebot erhalten, und nicht fünf Tickets in fünf Klicks.
Mit der BLS-App «Lezzgo» steigt man in den Zug ein, drückt, steigt aus und drückt wieder. Ist das die Zukunft?
Ja, das ist ein sehr kunden- und nutzungsfreundliches Beispiel. Wenn man hier auch noch mit den Tourismusregionen zusammenarbeiten könnte, würde das den Mobilitätsstandort Schweiz stärken.
Aber die ÖV-Unternehmen in der Schweiz sind auch Konkurrenten. Wieso sollten sie enger zusammenarbeiten?
Eine Plattform zu entwickeln, auf der sich die Daten befinden, stellt ja keine Konkurrenzsituation dar. Dabei geht es nur um eine technische Lösung. Steht sie bereit, kann und soll jedes Unternehmen seine spezifischen Angebote einspeisen. Dass man gemeinsam die Reservierungssysteme plant, die Software für das Ticketing entwickelt und auch die Nutzungsverhalten miteinander offenlegt, sind zentrale Investitionen. Die macht jedes Unternehmen ohnehin. Gemeinsam wird es aber günstiger und sie können Basisdaten teilen.
Befürchten Sie, dass die Schweizer Verkehrsunternehmen im Vergleich zu Europa den digitalen Zug etwas verpassen?
In europäischen Grossstädten gibt es schon sehr kundenfreundliche Systeme. Da erhalten Sie ein Ticket für die Metro und die Bahn. In Asien ist sogar auch die Strasse sehr oft schon dabei. Die Schweizer ÖV-Unternehmen müssen schon aufpassen. Die Schweiz hätte eigentlich alles, was es braucht, um auch hier zu den Ersten zu gehören. Deshalb auch eine Ermunterung an die Verkehrsunternehmen: Macht es! Wartet nicht ab. Die Konkurrenz schläft auf keinen Fall. Im städtischen Bereich des Auslands werden wir sehr schnell solche Produkte sehen. Wenn sie so ausgestattet sind, dass man sie problemlos auch in Genf, Zürich multiplizieren kann, dann sind die Schweizer Verkehrsunternehmen weg. Deshalb geht es mir auch darum, den Standort Schweiz zu stärken.
Das Gespräch führte Samuel Burri.