Bei den Kantonen stapeln sich die Verdachtsmeldungen wegen Tierquälerei. Die Anforderungen des neuen Tierschutzgesetzes seien kaum mehr zu bewältigen, klagt Josef Risi. Er ist Kantonstierarzt der vier Urkantone.
«Die Arbeitsbelastung im Ressort Tierschutz ist in den letzten Jahren explodiert», so Risi. Es käme zum Beispiel die Meldung, dass ein Hund nur unregelmässig oder gar nie Auslauf im Freien habe. Eine solche Aussage zu beweisen sei «wahnsinnig aufwändig und oft fast unmöglich».
Neues Gesetz: Kantone müssen aufrüsten
Jeder Meldung muss nachgegangen werden. Auch wenn sich dahinter oft nur ein Nachbarschaftsstreit versteckt, weil einem das Gebell des Nachbarhundes auf die Nerven geht. Risi kritisiert das Tierschutzgesetz und fragt, ob es denn Sinn mache, etwas in ein Gesetz zu schreiben, das gar nicht kontrollierbar sei. Immerhin gelänge es aber dank der häufigeren Anzeigen auch, die groben Vergehen besser zu erkennen.
Viele Kantone mussten ihre Veterinärämter aufrüsten, um die neuen Bestimmungen umsetzen zu können. Die Tierschützer freut das. Für sie ist die Häufung der Anzeigen ein Zeichen dafür, dass Vergehen besser geahndet werden. Dabei betont auch der Präsident des Schweizer Tierschutzes, Heinz Lienhard, dass es den Tieren heute besser geht als früher. «Ich bin sicher, dass heute die Haus- und die Nutztiere viel, viel besser gehalten werden, als das noch vor 20 Jahren der Fall war.»
Das revidierte Tierschutzgesetz zwingt die Kantone schon seit 2008, schneller Strafanzeige einzureichen. Nachdem die Übergangsfristen abgelaufen sind, wirkte sich das erst im letzten Jahr mit einer deutlichen Zunahme in der Statistik aus. Ausserdem stellen auch die Tierschützer fest, dass die Bevölkerung immer tierlieber wird und genauer hinschaut.
Generation ohne Bezug zu Bauernbetrieb
Das ist für den Schweizer Tierschutz zwar erfreulich. Immer öfter aber muss er sich auch mit übersensibilisierten Tierfreunden und falsch verstandener Tierliebe herumschlagen. Bei den Haustieren verliefen neun von zehn Anzeigen im Sand, schätzt Präsident Lienhard.
Selbst im ländlichen Graubünden komme der natürliche Bezug des Menschen zur Tier- und Landwirtschaft immer mehr abhanden, hält der stellvertretende Bündner Kantonstierarzt Giochen Bearth fest. Es gebe nun eine Generation, die keinen direkten Kontakt mehr mit dem Bauernbetrieb habe. Feriengäste schauten auf einer Alp in einen Stall hinein und hätten das Gefühl, die Tiere würden nicht richtig gehalten.
Mehr Anzeigen trotz besserer Tierhaltung: Tierschützern und Kontrollbehörden wird die Arbeit nicht so schnell ausgehen.