Der mutmassliche Mörder der Genfer Sozialtherapeutin befand sich offenbar bereits am Tag nach seiner Flucht am Donnerstag letzter Woche in Polen. Im Fluchtauto wurde ein Strafzettel gefunden, der am Freitagnachmittag ausgestellt worden war, gab der Genfer Oberstaatsanwalt Olivier Jornot vor den Medien bekannt.
Der 39-Jährige wurde in der Stadt Szczecin in Haft gesetzt und konnte bereits durch die polnischen Justizbehörden verhört werden. Über die Gründe, warum der französisch-schweizerische Doppelbürger nach Polen flüchtete, machte Jornot keine Angaben.
Die Dauer des Auslieferungsverfahrens werde vor allem dadurch bestimmt, ob der Inhaftierte sein Einverständnis gebe oder nicht, hielt der Oberstaatsanwalt fest. Falls er einverstanden sei, könne es in einigen Wochen zu einer Auslieferung kommen.
Falls die Auslieferung vom mutmasslichen Mörder bestritten werde, werde sich das Verfahren über mehrere Monate hinziehen. Die Genfer Justiz verfüge derzeit über keine Informationen, dass der mutmassliche Mörder gewünscht habe, in die Schweiz zurückzukehren.
Messer in einem Rucksack gefunden
Die Staatsanwaltschaft eröffnete eine Strafuntersuchung wegen Freiheitsberaubung, Entführung und Mord. Der Genfer Oberstaatsanwalt Jornot äusserte sich auch zur mutmasslichen Tatwaffe, die bei der Verhaftung in Polen beschlagnahmt wurde. Das Messer sei in einem Rucksack gefunden worden.
Das Modell entspreche jenem, das der Mann am Donnerstag während des begleiteten Freigangs gekauft hatte. Über das Modell machte der Oberstaatsanwalt keine Angaben.
Die Strafuntersuchung soll auch klären, warum der wegen Vergewaltigung inhaftierte Mann und die Sozialtherapeutin allein unterwegs waren. Dafür werde die Entscheidungskette beim Amt für Strafvollzug und beim Zentrum La Pâquerette untersucht, in dem der Mann inhaftiert war.
Fragen zur Alarmierung
Die Polizei wurde vom Verschwinden der beiden Personen um 14.59 Uhr informiert, nachdem die Sozialtherapeutin und der Häftling um 11 Uhr nicht zur Reittherapie erschienen waren. Warum die Polizei erst nach vier Stunden alarmiert wurde, werde untersucht, sagte Jornot.
«Es stellen sich akute Fragen. Sie sind legitim», sagte der Genfer Staatsrat Pierre Maudet gegenüber den Zeitungen «Le Matin» und «Tribune de Genève».