Der brasilianische Petrobras-Skandal um Korruption in Milliardenhöhe hat auch die Schweiz erfasst: Am Mittwoch gab die Bundesanwaltschaft bekannt, Vermögenswerte in Höhe von 400 Mio. Dollar gesperrt und neun Strafuntersuchungen wegen Verdachts auf Geldwäscherei eingeleitet zu haben. Der Korruptions-Experte Mark Pieth gesteht der Bundesanwaltschaft denn auch zu, bei der Bekämpfung von Geldwäscherei Fortschritte zu machen. Fragen bleiben für ihn allerdings beim Verhalten der Banken offen.
SRF: Bei 30 Banken in der Schweiz sollen Petrobras-Gelder liegen. Wie ist das zu beurteilen?
Mark Pieth: Die Zahlen der Bundesanwaltschaft sind eindrücklich, das ist ein gutes Zeichen. Tatsächlich hat die Bundesanwaltschaft einen starken Richtungswechsel vorgenommen. In der Vergangenheit hat sie sich zugepflastert mit wenig aussichtsreichen Fällen. Ich denke da etwa an die Hells Angels, die man wegen organisierter Kriminalität verfolgen wollte. Jetzt geht man wirklich auf die Kernfragen los.
Heisst das, dass auf Seiten der Behörden und der Bundesanwaltschaft kein Handlungsbedarf besteht?
So generell würde ich das nicht sagen. Zwar ist es eindrücklich, dass man diese grossen Fälle [wie Petrobras; Anm. d. Red] nun anpackt. Sie sind auch politisch brisant. An anderen, ebenfalls politisch brisanten Fällen hat man sich die Finger nicht verbrennen wollen. Ich denke da etwa an den Datendiebstahl bei der Bank HSBC in Genf. Dort haben ja die Genfer Behörden die Initiative ergriffen. Die Bundesanwaltschaft dagegen verhielt sich sehr zögerlich.
Zurück zum Petrobras-Skandal: Wie beurteilen Sie das Verhalten der Schweizer Banken?
Auf den ersten Blick ist es eindrücklich, dass in dem Fall 60 Verdachtsmeldungen von Banken bei den Behörden eingegangen sind. Das ist relativ viel für schweizerische Verhältnisse. Andererseits fragt man sich, wie es kommen konnte, dass man über Jahre hinweg Geld aus Bestechungen angenommen hat. Man müsste nun sehr genau hinschauen und klären, wer die Konten eröffnet hat und ob für die Banken erkennbar war, dass es sich um Bestechungsgeld handelt. Diesen Fragen müsste man sich stellen. Ich begreife, dass sich die Öffentlichkeit darüber ärgert, dass schon wieder die Schweizer Banken im Rampenlicht stehen.
Zunächst geht es nun aber darum zu klären, ob die Banken die Sorgfaltspflicht eingehalten haben?
Auf der technischen Ebene haben Sie recht: Man muss nun schauen, ob die Banken ihren Pflichten nachgekommen sind und sie einen allfälligen Verdacht bei der Meldestelle für Geldwäscherei deponiert haben. Nach den mir vorliegenden Informationen scheint es, dass Unstimmigkeiten tatsächlich gemeldet wurden – offenbar allerdings erst, als der Petrobras-Skandal bereits in vollem Gange war. Da stellt sich die Frage: Wieso hat man all diese Konten überhaupt eröffnet? Diesen Fragen sollte man jetzt nachgehen.
Wenn sie das Verhalten der Schweizer Banken in Sachen Geldwäscherei anschauen: Wie schätzen sie die Entwicklung der letzten Jahre ein?
Das ist gar keine so einfache Frage. Auf den ersten Blick gibt es immer wieder Fälle, die erstaunen. Ich habe einen Fall, in dem gegen 40 Millionen Franken von einem mittleren ausländischen Steuerbeamten auf einem Schweizer Bankkonto platziert werden konnten. Da fragt man sich: Wie geht das eigentlich zu? Denn es gibt längst Regeln die das verhindern sollen und Techniken, wie man das vermeiden kann. Auf der anderen Seite gibt es inzwischen auch Geldwasch-Techniken, die eine Aufdeckung schwierig machen: Man kann etwa mit Strohleuten oder mit Sitzgesellschaften arbeiten. Zwar müssen die Banken herausfinden, wer hinter einem Konto steht und der sogenannt wirtschaftlich Berechtigte ist. Doch es passiert immer wieder, dass man einem an sich legitim tätigen Geschäftsmann noch ein bisschen mehr Geld unterjubelt. Das ist sehr schwierig zu entdecken.
Das Gespräch führte Elmar Plozza.